Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionären

In der reaktionären Welt fehlt die Umwelt. Keine neurechte Partei befasst sich ernsthaft mit Umweltpolitik. Dabei hängen sie einem fatalen Irrglauben an: Weil es gestern keine gab, ist heute keine nötig. Roger de Weck kritisiert: „Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und sein amerikanischer Kollege Donald Trump bilden eine Achse der Kaputtmacher. Sie bestärken einander darin, schlimme Klima- und Umweltschäden in Kauf zu nehmen.“ Für die beiden Präsidenten zählt nur die Ökonomie, an der Ökologie haben sie keinerlei Interesse. Europäische Reaktionäre üben da mehr Vorsicht, weil auch ein Teil ihrer Wählerschaft ergrünt. Dennoch gilt auch hier: „Blut und Boden“, das Blut soll rein bleiben, aber der Boden darf verseucht werden. Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionäre. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Reaktionäre verneinen Komplexität

Das rechte Weltbild verkürzt sich heute auf die Migranten, den Islam, die Nation. Der Raubbau an den Lebensgrundlagen der Menschheit ist für die Reaktionären reine Hysterie. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für die Neurechten fragwürdig. Lösungen gegen die Klimakatastrophe betrachten sie als unnötig. Fridays for Future ist für die Alternative für Deutschland (AfD) eine klimareligiöse Erweckungsbewegung. Die neue Rechte negiert Problem, für die sie kein Patentrezept hat.

Das Verneinen von Komplexität ist ein Grundmuster der Reaktionären. Ihr autoritäres „Man muss nur hart durchgreifen“ zerschellt an der Umweltfrage. Bis zur Erfindung der liberalen Demokratie war das Autoritäre eine Konstante der Weltgeschichte. Das war bei den meisten Urvölkern und erst recht in Hochkulturen völlig normal. Die demokratischen Ansätze in griechischen Stadtstaaten und in der Römischen Republik waren Ausnahmen von der Regel, dass die Welt Alleinherrscher brauchte.

Die Bundesrepublik wehrt sich gegen Autoritarismus

Die Demokratie hat jedoch diese archaische Kraft nicht überwunden, sondern bloß gedrosselt und eingedämmt. Roger de Weck warnt: „Doch jetzt werden die Deiche gegen den Autoritarismus allenthalben unterspült.“ In Ungarn brechen sie, in Polen sind sie aufgeweicht, in Großbritannien strapaziert, in den USA beschädigt, in Italien derzeit in Reparatur. In Österreich sickert das Autoritäre ein, in der Schweiz schlägt es hohe Wellen, aber die direkte Demokratie hat hohe Staumauern errichtet.

In der Bundesrepublik wie in manch anderen Demokratien halten die Dämme bislang ganz gut. Russland und die Türkei haben sie längst eingerissen. Wie robust oder verwundbar die Demokratie auch immer ist, das Autoritäre will sich Bahn brechen. In den Augen der Neurechten ist diese liberale Demokratie ohnehin eine bloße Episode. Das Archaische, das in die Tiefen der Vorzeit reicht, halten sie für robuster als den Firnis der Zivilisation. Björn Höcke, Co-Vorsitzender der Thüringer AfD, verherrlicht beispielsweise altgermanisch die stammesähnliche „Volksgemeinschaft“.

Von Hans Klumbies