Hegel formuliert einen Idealismus der Freiheit

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist die Freiheit das Alpha und das Omega des absoluten Idealismus. Er schreibt im „Kritischen Journal“: „Die Berührungspunkte der Philosophie mit der gesamten Kultur sollen aufgespürt und die Relevanz der Philosophie für eine neuzeitliche Gesellschaft der Freiheit vorgelegt werden.“ Wie Klaus Vieweg in seiner Biografie über Hegel schreibt, kann der Begriff der Freiheit, der für Hegel den Mount Everest der Philosophie darstellt, erst durch die Aufhebung der praktischen Vernunft von Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte bezwungen werden. Dabei geht es um das Überwinden zweier Entwürfe, die sich beide ausdrücklich als Freiheitsdenken verstanden haben. Der Mangel des formalen Idealismus der Freiheit liegt für Hegel im Gedanken der rein negativen Freiheit, der sich aus der Annahme eines negativen, leeren Absoluten ergibt. Klaus Vieweg ist Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller Universität Jena und einer der international führenden Hegel-Experten.

Die Sittlichkeit zielt auf eine Philosophie der konkreten Selbstbestimmung

Die Konstitution eines echten, wahrhaften, konkreten Absoluten hingegen impliziert wahrhafte, konkrete Freiheit – das Schlüsselwort Sittlichkeit zielt auf eine Philosophie konkreter Selbstbestimmung. Die Kontur von Hegels Argumentation zeichnet sich für Klaus Vieweg hier schon ab: „Der in seiner Reinheit formale und inhaltslose Wille repräsentiert die negative Freiheit; er ist in seiner radikalen Abstraktheit ohne Bestimmung und ohne Realität eine mordende Lufthoheit.“

Im Absolutsetzen dieses reinen Ideellen wird alles Darüberhinausgehende ausgeschlossen, alles andere gehört nicht zur praktischen Vernunft, nicht zum reinen Willen. Das hat gravierende Konsequenzen: Aus Inhaltslosigkeit vermag kein Inhalt abgeleitet zu werden; die Bestimmtheit, die Besonderheit können nur erschlichen, nur unkritisch aus der bloßen Empirie genommen werden. Klaus Vieweg erläutert: „Insofern die absolute Subjektivität sich dem reinen Willen der Welt, der Natur, der Sinnlichkeit, den Neigungen entgegenstellt, entpuppt sich als das leere Gesetz als Tyrann; das Besondere ist subsumiert, dem abstrakt Allgemeinen unterworfen.“

Fichtes praktische Vernunft führt zum Despotismus

Die bloße Übernahme des empirischen Inhalts führt zur Wiederherstellung der eigentlich zu überwindenden Heteronomie, zum Gegenteil von Selbstbestimmung. In Fichtes praktischer Vernunft wird alles Tun des einzelnen Besonderen von dem ihm entgegengesetzten Allgemeinen bestimmt – das bedeutet Despotismus un die Vernichtung aller Freiheit. Die Auseinandersetzung mit Kants praktischer Vernunft des Hegelschen Naturrechts ihre Fortsetzung.

Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling gerät ins Kreuzfeuer der Kritik, Hegel attackiert en passant den absoluten Indifferenzpunkt. Das Vorgehen der Reflexionsphilosophie beharrt seiner Meinung nach auf dem Standpunkt der bloßen Moralität, beim leeren Bewusstsein des pflichtmäßigen Tuns, erreicht deshalb den Standpunkt der wahren Sittlichkeit als wahrer Einheit des Allgemeinen und Besonderen nicht. Die neue Logik muss die beschriebene Inhaltslosigkeit überwinden. So steht Hegel vor der Aufgabe, das Verhältnis von Logik und Metaphysik zu revidieren, und zwar gegen die Konstruktion der logischen Formen, die von allem Inhalt abstrahieren. Quelle: „Hegel“ von Klaus Vieweg

Von Hans Klumbies