Ganz besondere Bedeutung gewinnen die multistabilen, robusten Netzwerke in der Ökologie. Dirk Brockmann erläutert: „Egal welches Ökosystem auf der Erde man sich anschaut, im Amazonas, in Sibirien, in der Tiefsee, am Great Barrier Reef, in der Wüste, im Wattenmeer oder im Grunewald bei Berlin: In jedem System koexistieren viele Millionen Arten, die aufeinander Einfluss haben.“ Die Artenvielfalt ist unfassbar groß. Bis vor Kurzem hat man geschätzt, dass auf der Erde etwa 80.000 Wirbeltierarten existieren, etwa sieben Millionen Wirbellose, davon fünf Millionen Insektenarten, etwa 400.000 Pflanzenarten, 1,5 Millionen Pilzspezies. Bezieht man aber mikrobielle Organismen, also Bakterien und Archaeen, mit ein, kommen neueste Studien auf mehr als eine Billion Arten. Der Komplexitätswissenschaftler Dirk Brockmann ist Professor am Institut für Biologie der Berliner Humboldt-Universität.
Mikroben
Mikroben sind zahlreicher als menschliche Zellen
Im Körper eines Menschen leben vermutlich mehr mikrobielle als menschliche Zellen. Symbiotische Organismen kolonisieren diverse Körperregionen. Als Beispiele nennt Lucy F. Jones Mund, Haut, Vagina, Bauchspeicheldrüse, Augen und Lunge. Und viele von ihnen leben im Darmtrakt. Mit ziemlicher Sicherheit leben auf dem Gesicht Hunderte mikroskopisch kleine Milben, vielleicht sogar Tausende. Diese vermehren sich, legen Eier und am Ende ihres Lebens explodieren sie, ohne dass man es bemerkt. Wissenschaftler vermuteten, dass Mikroben im Körper den menschlichen Zellen um ein Zehnfaches überlegen sind. Diese Zahl wurde mittlerweile auf ein Verhältnis von etwa drei zu eins herunterkorrigiert, was immer noch erstaunlich genug ist. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.
Zigtausende Ratten leben inzwischen in deutschen Städten
Rein rechnerisch könnte eine weibliche Wanderratte pro Jahr 1952 Nachkommen in die Welt setzen. In Wirklichkeit sind es immerhin noch rund 500 Kinder und Kindeskinder. In Niedersachsen und Hamburg gibt es eine Rattenverordnung, anders als im Rest Deutschlands. Wer an der Alster eine Ratte entdeckt, hat die Pflicht, die Behörden zu informieren. Anita Plenge-Bönig, Epidemiologin am Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt, sagt: „Pro Jahr gibt es etwa 780 bis 1.200 Meldungen.“ Dem Ratten-Monitoring in Norddeutschland verdankt die Forschung eine Vorstellung davon, welche Gefahren für die Gesundheit von den Ratten ausgehen. Bei Untersuchungen an 500 Tieren aus Hamburg und Niedersachsen wurden in jeder vierten Probe krankmachende Erreger entdeckt. Am häufigsten fanden die Wissenschaftler Leptospiren, Bakterien die ein Versagen der Leber oder der Nieren verursachen können.
Die Spinnenseide ist dünner als ein Haar und fester als Stahl
Fritz Vollrath von der britischen University of Oxford interessiert sich für das einzigartige Material, aus dem Spinnen ihre Netze bauen: „Spinnenseide ist ausgesprochen leicht, dünner als ein Haar, fester als Stahl und elastischer als Gummi. Außerdem ist sie biokompatibel und biologisch abbaubar.“ Die Proteinstränge haben sich in mehr als 350 Millionen Jahren entwickelt und zählen zu den wohl ausgereiftesten Zwirnen überhaupt. Das betrifft auch den Aufwand an Energie. Eine Spinne braucht nur ein Tausendstel der Energie, die für die Herstellung eines vergleichbaren Kunststofffadens benötigt wird. Seit vielen Jahren beschäftigen sich Forscher, Ingenieure und Unternehmen mit den außergewöhnlichen Eigenschaften der Spinnenseide. Wissenschaftler von der Medizinischen Hochschule Hannover erforschen gerade die Klebeeigenschaften der Wunderfäden. Sie erproben, wie man entlang der klebrigen Seide neue Nervenbahnen wachsen lassen könnte.
Gesundes Essen verbessert die Gehirnleistung des Menschen
Von Nüssen ist es schon lange bekannt. Auch fetter Seefisch, Hafer und Sojabohnen gelten als Gehirnnahrung. Das liegt beispielsweise daran, dass die darin enthaltenen Aminosäuren für den Aufbau von Nervenbotenstoffen verantwortlich sind. Laut einer ägyptischen Studie weisen Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) einen Mangel an Eisen, Zink und Magnesium auf. Die Qualität der Nahrung kann zwar die Intelligenz nicht erhöhen, wohl aber die Gehirnleistung, die Konzentration und die Merkfähigkeit verbessern. Als Wissenschaftler, die Zusammensetzung von Darmbakterien im Verdauungstrakt von Fast-Food-Essern mit jenen von Menschen, die sich viel mit frischem, natürlichen Speisen versorgen, verglichen, stellen sie folgenden messbaren Unterschied fest: Die erste Gruppe hatte ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen. Für solche Studien ist die neue Wissenschaftsrichtung der Mikrobiomforschung zuständig.