Der Computer wird nie ein Bewusstsein wie der Mensch erlangen

Die Computertechnik verschafft der Menschheit eine ungeheure Macht. Ein guter Programmierer kann ganz allein mit seiner Tastatur ungeheuer viel aufbauen und dann durch Umlegen eines Schalters lebendig werden zu lassen. Technologieverliebte verfallen diesen Maschinen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Supercomputer gibt, die leistungsfähig genug sind, um mit dem Programm „Geist“ zu arbeiten, sich also von der Ausführung von Befehlen zu emanzipieren und selbstständig zu denken. David Gelernter schränkt ein: „Aber der klassische Computer wird nie ein Bewusstsein wie der Mensch erlangen, er wird keinen Daseinsmodus haben, er wird nicht in der Lage sein, die Welt zu erleben und sich etwas vorzustellen.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University. In seinem jüngsten Buch „Gezeiten des Geistes“ erklärt David Gelernter, warum Computer und künstliche Intelligenz die Tiefen der menschlichen Subjektivität nicht ausloten können.

Die Gefühle eines Menschen sind Teil seiner geistigen Verfassung

Dafür fehlt dem maschinellen Gehirn die Verbindung mit einem Körper. Man kann das Leibliche nicht außer Acht lassen. Die Menschen denken auch mit ihrem Leib. Es ist der Resonanzboden des Geistes. Der Gefühlszustand eines Menschen ist Teil seiner geistigen Verfassung. Im hellwachen Zustand kann man hoch abstrakt, rein intellektuell an Probleme herangehen und entsprechend handeln. Analytisch, von Gefühlen nicht gestört – das ist das Verfahren, das der westliche Rationalismus zum idealen Maßstab gemacht hat.

Aber der menschliche Geist ist nicht auf Knopfdruck hellwach. Er wird müde, er schaltet ab, schweift umher, verliert sich in Assoziationen, dämmert dahin, fängt an zu träumen. David Gelernter fügt hinzu: „Im Laufe eines Tages durchläuft er verschiedene Bewusstseinsstadien, die von der reinen Vernunft bis zu Halluzinationen und Alpträumen reichen.“ Das nennt David Gelernter die Gezeiten des Geistes, wie Ebbe und Flut. In ihnen manifestiert sich immer auch ein körperliches Befinden. Möglich ist allerdings die Computersimulation von Bewusstsein und Gefühlen.

Die Anhänger der Computertheorie des Geistes sind intellektuell korrumpiert

Menschen können Gefühle vortäuschen, Computer können simulieren. Davon lässt sich eine Menge lernen, solange man nicht so naiv ist, Simulation und Wirklichkeit zu verwechseln. Die Anhänger der Computertheorie des Geistes sind laut David Gelernter intellektuell korrumpiert – nicht durch Geld, sondern durch Machtfantasien. Wobei Letztere natürlich noch durch den Umstand verstärkt werden, dass unglaublich viel Geld im Geschäft mit der Datenverarbeitung steckt. Der alte Spruch, wonach Wissen Macht ist, hat eine unheimliche Dimension erreicht.

Die Rationalität ist für David Gelernter nur ein Segment des menschlichen Geistes. Das obere. Wenn ein Mensch in die unteren Teile hinabsinkt, bis in den Dämmerzustand und den Traum, wird seine innere Welt lebendig, aber das Denken gewissermaßen unrein. Wissenschaftler haben dafür nur Verachtung, sie können mit ästhetischem oder emotionalem Denken nichts anfangen. David Gelernter fasst zusammen: „Ein Computer könnte den menschlichen Intelligenzquotienten um ein Tausendfaches übertreffen und bliebe doch, philosophisch gesehen, ein Zombie.“ Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies

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