Der Event ist zum Ritual der Konsumgesellschaft geworden

Wolfgang Schmidbauer meint, dass man die moderne Eventkultur nicht verstehen kann, ohne sich mit ihrem Paradox zu beschäftigen. Die Entwicklung der Kultur ist seit den Anfängen des Ackerbaus, der Gründung von Städten und der Einführung des Rechtsstaats eng mit dem Versuch verknüpft, möglichst wenig aufregende Ereignisse zuzulassen. Das Leben des Jägers und Sammlers während der Altsteinzeit war dagegen geradezu von Aufregungen geprägt. Wolfgang Schmidbauer schreibt: „Die Jagd tastete sich von einem Ereignis zum nächsten, große Beute ist ein großes Ereignis, alle Stammesangehörigen versammeln sich, um zu feiern und zu speisen.“ Der Bauer dagegen ist dankbar, wenn ihn das Wetter verwöhnt und er reiche Ernte einfahren kann. Wolfgang Schmidbauer arbeitet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch als Lehranalytiker und Paartherapeut in München.

Die Studentenbewegung brachte das Happening in die Politik

Die menschliche Kultur versuchte laut Wolfgang Schmidbauer von Anfang an, Unvorhersehbares zu ritualisieren, es vorhersehbar zu machen und es zu regeln. Die Naturwissenschaft hat die Dramatik aus den Ereignissen herausgenommen. Wolfgang Schmidbauer fügt hinzu: „In den modernen Gesellschaften haben Technik und Bürokratie erreicht, dass dramatische Ereignisse selten geworden sind.“ Vor allem die optischen Massenmedien haben den Menschen dahin gebracht, dass er wirkliche Ereignisse nur noch als inszeniert erlebt.

Der Begriff Happening tauchte in den 1968er Jahren auf. Wolfgang Schmidbauer definiert es wie folgt: „Happening ist Kunst-Ereignis; es war sozusagen ein nicht ganz ausgewachsener Event, spielerisch, kindlich, naiv, etwas für Avantgarden.“ Die Studentenbewegung brachte das Happening in die Politik. Schon damals kündigte sich der subtile Wettlauf an, der bis heute den Event bestimmt. Gelingt es, die Massenmedien auf das Problem aufmerksam zu machen, für das eine breite Öffentlichkeit hergestellt werden soll?

Der Tanz um das goldene Event-Kalb gehorcht keinen strikten Regeln

Heute ist jede Aufmerksamkeit besser als keine, denn von den Medien übergangen zu werden ist für manche Menschen weitaus schlimmer als ihr hämischster Tadel. Wolfgang Schmidbauer vertritt die These, dass die Medien zwar untereinander vernetzt sind, aber der Tanz um das goldene Event-Kalb keinen strikten Regeln gehorcht. Die Zeugung eines Events verläuft seiner Meinung nach in mehreren Etappen. Ob ein Ereignis zum Event wird, hängt von einer Entscheidung ab, die jemand trifft, der darüber berichten will.

Wo er einen Missstand entdeckt, hat der Event-Politiker sofort eine Blitzlösung zur Hand. Im Event herrscht für Wolfgang Schmidbauer die Spannung des primitiven Narzissmus. Gut und Böse sind dabei nicht gemischt. Die Handelnden blenden sich seiner Meinung nach selbst, indem sie Ambivalenzen erzeugen. Wolfgang Schmidbauer nennt ein Beispiel: „Angesichts von Sexualtätern die, dass wir sicher nicht alle Gefährlichen mit absoluter Sicherheit von den Harmlosen unterscheiden können.“

Von Hans Klumbies