Roland Berger stellt sein Vier-Säulen-Programm für Europa vor

Die Europäische Union (EU) ist der größte Wirtschaftsraum der Welt und steht dennoch vor gewaltigen Herausforderungen. So ist zum Beispiel die Wettbewerbsfähigkeit mangelhaft, die Jugendarbeitslosigkeit untragbar hoch, das Wachstum gering und die Verschuldung gigantisch. Weitere Rettungspakete für Griechenland und andere Krisenländer sind nicht ausgeschlossen, die die Glaubwürdigkeit des Euro erneut gefährden würden. Selbst im hochgelobten Deutschland gibt es viel zu tun. Der Berater-Doyen Roland Berger hat sich deshalb Gedanken gemacht, wie man Europa zukunftsfest machen könnte. Sein Programm für wirtschaftlich stabiles Europa besteht aus vier Säulen. Roland Berger (76) ist Deutschlands bekanntester Politik- und Unternehmensberater. Im Jahr 1967 gründete er die Roland Berger Strategy Consultants, in deren Aufsichtsrat er noch heute als Ehrenvorsitzender über die Geschäfte wacht.

Die Infrastruktur in Europa muss dringend modernisiert werden

Die erste Säule von Roland Bergers Programm ist ein politisch orchestriertes und privat finanziertes Konzept, um die europäische Infrastruktur zu modernisieren. Roland Berger erläutert: „Die dafür erforderliche eine Billion Euro ließe sich mit den weltweit rund 170 Billionen Euro finanzieren, für die private Kapitalgeber nach Anlagemöglichkeiten suchen.“ Die Politik muss dafür allerdings zuverlässige Rahmenbedingungen schaffen. Die zweite Säule ist ein echter EU-Binnenmarkt für Infrastrukturservices.

Für Roland Berger sind es die mangelnde Konsolidierung der Betreiber, etwa Bahnunternehmen und fehlende Skaleneffekte, die hohe Kosten verursachen, unter denen sowohl Unternehmen als auch die Bürger leiden. Roland Berger hat hier folgenden Auftrag an die Politik: „Grenzen öffnen, Protektionismus abschaffen, Privatisierung und transnationale Konsolidierung zulassen, eine wettbewerbsfreundliche Politik und Regulierung betreiben.“ Als dritte Säule für Europa fordert Roland Berger eine europaweite koordinierte Politik, um Innovationen zu fördern.

Die Bürokratie ist teuer und bremst die Entwicklung von Unternehmen

Derzeit geben die EU-Länder durchschnittlich 1,9 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung aus, während die USA 2,7 Prozent und Japan sogar 3,5 Prozent in die Zukunft investieren. Die Ausgaben in Deutschland für Forschung und Entwicklung betrugen im vergangenen Jahr 2,85 Prozent. Vor allem in Amerika zeigt sich, dass Bildung, Intelligenz, Kapital, Business-Services und Netzwerke über die Wertschöpfungskette hinweg Innovationen schaffen. Roland Berger fordert deshalb: „Eine europäische Innovationspolitik sollte das kopieren – und vor allem die Gründer besser fördern.“

Die vierte Säule des Programms von Roland Berger für Europa ist ein Klassiker. Sie besteht aus der sozialen Markwirtschaft die gekoppelt ist mit dem Abbau von Bürokratie. Solange Regulierung intelligent ist sie zweifellos wichtig. Roland Berger stellt allerdings fest: „Viele unüberlegte Eingriffe in den Markt schrecken dagegen Investoren ab, Europa verliert an Attraktivität.“ Die Bürokratie hat drei fürchterliche Effekte: Sie ist teuer und sie bremst die Entwicklung von Unternehmen und der Gesellschaft. Daher lautet das Fazit von Roland Berger: „one-in, one-out. Für jede neue Regel ist eine alte abzuschaffen – auf EU-Ebene und in jedem Land.“ Quelle: Bilanz – das deutsche Wirtschaftsmagazin

Von Hans Klumbies