Daniel Zimmer stellt verschiedene Formen der Gerechtigkeit vor

 

In der griechischen Antike wurde die Gerechtigkeit zu den Tugenden gerechnet. Der Philosoph Platon zählte sie neben der Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit zu den Kardinaltugenden. Sein Schüler Aristoteles entwickelt in seiner „Nikomachischen Ethik“ das Konzept der Gerechtigkeit weiter, indem er zwischen ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit unterschied. Erstere beschrieb die Bereitschaft, anderen das ihnen Zustehende zu gewähren. Daniel Zimmer erklärt: „Hierher zählt das Prinzip der Tauschgerechtigkeit bei Verträgen wie dem Kauf, bei denen Leistung und Gegenleistung gerechterweise im Wert entsprechen.“ Zur ausgleichenden Gerechtigkeit gehört auch die korrigierende Form, insbesondere der Grundsatz des vollwertigen Ausgleichs eines Schadens durch den Schädiger. Professor Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn.

Der Schutz der Menschen vor staatlicher Willkür tritt in den Vordergrund

Die ausgleichende Gerechtigkeit hat also die angemessene Teilhabe der Menschen an Vorteilen und Lasten zum Gegenstand. Dies bedeutet laut Daniel Zimmer allerdings keine gleichmäßige Verteilung. Er nennt Beispiele: „Güter wie Ehre, Geld oder Ämter mussten nicht zu gleichen Teilen, sondern durften nach „Verdiensten“ zugeordnet werden. Auch in diesem Konzept blieb Gerechtigkeit eine Tugend.“ Aristoteles bezeichnet sie in seiner „Nikomachischen Ethik“ als die vorzüglichste unter den Tugenden. Auch die christliche Vorstellung von Gerechtigkeit hebt auf die Einstellung und das Handeln des Individuums ab.

Wer die Gebote Gottes befolgt, handelt gerecht im Sinne von richtig. Daneben tritt freilich die Idee von einer höheren Gerechtigkeit, indem Gott den Menschen Gerechtigkeit widerfahren lässt. Im Gefolge der Aufklärung hat sich dann mehr und mehr das Konzept einer staatlich gestalteten, gerechten Ordnung durchgesetzt. Daniel Zimmer erläutert: „In seinem Zentrum steht der Schutz der Menschen vor staatlicher Willkür, der nach und nach in der Formulierung von verfassungsmäßig garantierten Grundrechten seinen Ausdruck fand.“

In Deutschland ist die soziale Sicherung verfassungsrechtlich garantiert

Als wichtige Beispiele für diese Entwicklung nennt Daniel Zimmer die amerikanische „Bill of Rights“ von 1789 und die im gleichen Jahr im Zuge der französischen Revolution verabschiedete „Déclaration des Droits de l`Homme et du Citoyen“. Zweitgenannte beginnt mit der Aussage, dass alle Menschen von Geburt an frei und gleichberechtigt sind. Aufgrund der Massenarmut, die ihren Ursprung im 18. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung in England hatte, wurde der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit immer lauter.

Er wurde erhört. Daniel Zimmer erklärt: „Der materielle Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung hat in den letzten zweihundert Jahren einen Aufschwung erlebt, wie er kaum in Worte zu fassen ist.“ Mindestens so wichtig sind seiner Meinung nach die Fortschritte, die im Bereich der sozialen Sicherung erreicht wurden. Der Sozialstaat schützt heute Menschen vor Existenzrisiken. In Deutschland ist diese Sicherung verfassungsrechtlich garantiert. Erwerbsfähige Menschen können Arbeitslosengeld II erhalten, nicht erwerbsfähige Menschen Sozialhilfe.

Von Hans Klumbies