Cicero bekämpft mit der Vernunft die Zügellosigkeit

Nach Cicero soll der Mensch auch unter günstigen und nach seinem Willen sich gestaltenden Umständen die Überheblichkeit, den Stolz und den Hochmut meiden. Denn seiner Meinung nach ist es ebenso ein Beweis von Haltlosigkeit, im Ertragen von Unglück wie von Glück maßlos zu sein. Er schreibt: „Und etwas Treffliches ist die Ausgeglichenheit in allen Lebenslagen und immer dasselbe Gesicht und dieselbe Stirn, wie wir von Sokrates und auch von C. Laelius erfahren haben.“ Für Cicero sind diejenigen Vorschriften die Richtigen, die den Menschen mahnen, dass er sich, je überlegener er ist, umso bescheidener benehmen soll.

Cicero warnt vor Heuchlern

Cicero fordert, dass Menschen, die durch die Gunst der Stunde zügellos geworden sind und übersteigertes Selbstvertrauen zur Schau tragen, gleichsam an die Longe der Vernunft und Gelehrsamkeit geführt werden müssen, damit sie über die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins und die Launenhaftigkeit des Glücks zur Einsicht kämen. Cicero rät: „Auch unter sehr günstigen Umständen gilt es besonders, sich den Rat der Freunde zunutze zu machen, und es ist ihnen sogar noch größeres Ansehen als vorher anzuerkennen.“

Zur gleichen Zeit muss sich der Mensch, dem alles zu gelingen scheint, vor Heuchlern in Acht nehmen, die ihm schmeicheln wollen. Denn im Zustand des Glücks kann er sehr leicht einer Täuschung erliegen. Cicero erklärt: „Denn für so ausgezeichnete Leute halten wir uns, dass wir mit Recht gelobt werden. Daraus entstehen zahlreiche Verfehlungen, wenn vom Dünkel aufgeblähte Leute schmählich verlacht werden und in größten Irrtümern stecken.“

Der Unterschied zwischen Schicklichkeit und Unschicklichkeit

Für Cicero gibt es einen Teil der Ehrenhaftigkeit, in dem das Anstandsgefühl und gleichsam eine Art Sinn für Schönheit in der Lebensgestaltung, in der Mäßigung und überhaupt die völlige Beherrschung der Leidenschaften und rechtes Maß sichtbar werden. Er nennt diesen Teil das Schickliche. Er erklärt: „Seine Bedeutung liegt darin, dass es von Ehrenhaftigkeit nicht abtrennbar ist. Denn was schicklich ist, ist ehrenhaft, und was ehrenhaft ist, ist auch schicklich.“ Cicero ist davon überzeugt, dass was auch immer es sei was sich schickt, immer dann zutage tritt, wenn die Ehrenhaftigkeit vorausgegangen ist.

Nach Cicero ist es zum Beispiel schicklich, die Vernunft und die Rede klug einzusetzen und das, was man tut, wohl überlegt zu tun. Die Unschicklichkeit kommt seiner Meinung in folgenden Verhaltensweisen zum Vorschein. Cicero schreibt: „Dagegen sich täuschen zu lassen, zu irren, zu straucheln, und sich hinters Licht führen zu lassen, das ist unschicklich, wie aus der Bahn zu geraten und von Sinnen zu sein. Und alles Gerechte ist schicklich, dagegen das Ungerechte so schändlich wie unschicklich.“

Von Hans Klumbies