Um das Jahr 1800 herum begann eine neue Epoche der Weltgeschichte, moderne Zeiten brachen an, gegenüber denen das Mittelalter und die Frühe Neuzeit altmodisch und rückständig wirkten. Dabei wirkte die Französische Revolution von 1789 beschleunigend auf diesen Umbruch. Auch im Bereich der Wirtschaft gab es Innovationen. Paul Nolte schreibt: „Neben die herkömmlichen Bereiche der ländlichen Agrarwirtschaft und des städtischen Gewerbes und Handels traten neue Formen der gewerblichen Produktion, in der Manufaktur oder der ländlichen Heimindustrie. Märkte und kommerzielle Beziehungen begannen den Alltag zu durchdringen.“ Die Kaufleute und Unternehmer wurden zur Vorhut des neuen Bürgertums. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen bahnbrechende Erfindungen dazu wie die Dampfmaschine, die den modernen Bergbau erst ermöglichte. Die Industrielle Revolution begann in England, andere Länder in Nordwesteuropa und Nordamerika folgten rasch dem englischen Beispiel.
Das Menschenbild der Staatstheoretiker Thomas Hobbes und John Locke
Der europäisch-nordatlantische Raum übernahm in der Folgezeit für die nächsten zwei Jahrhunderte die Vormachtstellung in der Welt. Laut Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin, hat jedoch nicht die wirtschaftliche und technische Beschleunigung dem Zeitalter seinen prägenden Namen gegeben, sondern eine geistige, politische und kulturelle Bewegung: die Aufklärung. Paul Nolte schreibt: „Aber im allgemeinsten Sinne beflügelte die Menschen ein optimistischer Geist des Aufbruchs und der Gestaltbarkeit der Welt, die ihrer vermeintlichen Schicksalhaftigkeit entrissen wurde.“
Das Wissen leitete sich in der Aufklärung nicht mehr aus der Tradition oder von Dogmen aus her, sondern aus der empirischen Erkenntnis der Natur und ihrer Gesetze. Auch die politischen und sozialen Ordnungen gaben ihre starre Haltung auf, sie entwickelten sich zu einer bürgerlichen Gesellschaft, die auf freien Vertragsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Bürgern beruhte. Das Menschenbild der Staatstheoretiker der Aufklärung fiel sehr unterschiedlich aus. Während für Thomas Hobbes der starke Staat den ungeregelten Konflikt der Menschen beendet und damit geordnete Freiheit schafft, gesteht John Locke dem Individuum individuelle Freiheit in einem fiktiven, vorpolitischen Naturzustand zu.
Die Aufklärung hat vielerlei Fundamente für die moderne Demokratie gelegt
Für Paul Nolte stieg die freie und vernünftige Selbstregierung von Natur aus freier Individuen, in vielen Varianten, zur politischen Leitvorstellung auf, zumal in der Spätphase der Aufklärung, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Eine Demokratie im modernen Sinn lag jedoch noch nicht im Horizont der Aufklärung. Die Idee vom freien Individuum blieb damals noch eng begrenzt – es waren prinzipiell nur Männer gemeint, meist solche von einem gewissen Ansehen und bürgerlichen Besitz und Vermögen.
Unter Demokratie verstand man auch im Zeitalter der Aufklärung weiterhin, dass das gemeine, also das einfache Volk, das für sich allein keine Stabilität erreichen könne, regiert werden müsse von einer Regierung der Besten, der Gebildeten und Verständigen. Dennoch hat die Aufklärung vielerlei Fundamente für die moderne Demokratie gelegt, auf deren Prinzipien auch heute nicht verzichtet werden kann. Beim Anspruch auf Selbstbestimmung und freie Selbstregierung dürfen der Individualismus, die Anerkennung freier Gleichheit und die darauf ruhenden Menschen- und Bürgerrechte niemals aufgegeben werden.
Von Hans Klumbies