Hans Blumenberg denkt über drei Wassermetaphern nach

Um mit den Ungewissheiten der Realität leben zu können, erschaffen sich die Menschen Bilder und Mythen, die ihnen Orientierung bieten, auch wenn sich ihr Wahrheitsgehalt kaum beweisen lässt. Der Philosoph Hans Blumenberg beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit bestimmten Metaphern, die als wegweisende Ideen dem Denken einen Halt geben, ohne es völlig einzuschränken. Metaphern bilden laut Hans Blumenberg den Unterbau der Ideengeschichte. Seit 1978 wollte er ein Buch über die drei Wassermetaphern Quellen, Ströme und Eisberge veröffentlichen. Der nahezu druckfertig ausgearbeitete Text, der sich in seinem Nachlass fand, ist jetzt zum ersten Mal im Suhrkamp Verlag unter dem Titel „Quellen, Ströme, Eisberge“ herausgegeben worden. Beim Lesen des Buches wird man feststellen, dass Wasser, auch als Metapher buchstäblich lebensnotwendig ist.

Das Paradox der Quellen

Hans Blumenberg ist davon überzeugt, dass jeder, der den Einfluss einer Quelle empfängt und in sich aufnimmt, ihre Qualität der Ursprünglichkeit und Reinheit reflektiert. Das Paradox, dass Quellen sich trüben, indem sie zum Strom werden, und erst wieder sich läutern, wenn die Ströme sich im Meer verlieren, ist seiner Meinung nach das der geschichtlichen Wirkung selbst. Hans Blumenberg schreibt: „Trauer über die Verderbnis der Quellen ist die eines Romantikers, der die Geschichte diesseits des Paradieses und seiner Quellen im Grund nicht gewollt haben kann.“

Die Metapher der Quelle ist für Hans Blumenberg auch zumeist Ausschluss von anderen Mustern. Es wird dabei etwas zum Ausströmen freigelassen, was verborgen und behindert, verschlossen und verstopft gewesen sein soll und nicht durch bloße Eigenkraft sich neue Bahnen zu erschließen vermochte. In der modernen Literatur ist fast alles Zulassung des Ausbruchs, wie zum Beispiel die Aufhebung und die Zertrümmerung der Form.

Die Weisheit des Heraklit

Hans Blumenberg bewundert die tiefe Weisheit des Spruchs von Heraklit, der gesagt hat, dass niemand zweimal in denselben Fluss steigen könne. Er schreibt: „Es ist eine absolute Metapher und darin eine der frühesten Errungenschaften der Philosophie, dass man die Wirklichkeit nicht festhalten kann, weil sie nicht das ist, als was sie uns erscheint.“ Merkwürdig ist für Hans Blumenberg nur, dass dieser Spruch niemals weitergedacht worden ist. Man kann zwar nicht zweimal in denselben Fluss steigen, aber immer wieder an dasselbe Ufer zurückkehren.

Im Kapitel über die Eisberge erklärt Hans Blumenberg, dass der Eisberg als Metapher kaum sehr alt ist, da er gut zu einer neuen Vermutung passte, der sich nicht nur auf den unsichtbaren Unter- und Hintergrund der Natur bezog, sondern auch auf den des Menschen und der Gesellschaft. Hans Blumenberg schreibt: „Alles Sichtbare war eben nicht nur ein Gleichnis, sondern auch ein Trug. Bei allen Sachverhalten dieser Sphäre gab es das, was unter der Oberfläche, hinter den Phänomenen sich verbarg und diese nur vor sich her schob.“

Quellen, Ströme, Eisberge
Hans Blumenberg
Verlag: Suhrkamp
Gebundene Ausgabe: 303 Seiten, Auflage: 2012
ISBN: 978-3-518-22469-4,  21,95 Euro
Von Hans Klumbies