Die Wirtschaft braucht mehr Kooperation und Vertrauen

Der ehemalige Topmanager Daniel Goeudevert vertritt die These, dass verantwortliches unternehmerisches Handeln leider bis heute nur das Verhalten einer kleinen Minderheit beschreibt. Seiner Meinung nach sind die Begriffe Verantwortung und Nachhaltigkeit zwar in aller Munde und kommen allen Vorstandssprechern fließend über die Lippen, doch handelt es sich dabei bislang noch ganz überwiegend um Marketing. Denn Unternehmen geht es vor allem darum, die Oberfläche „grün“ herauszuputzen und von den Niederungen des Kerngeschäfts abzulenken. Als Beispiel nennt Daniel Goeudevert die deutsche Automobilindustrie, bei der er trotz vollmundiger Versprechungen einen vorsorgenden Ansatz im Umgang mit Umweltproblemen vermisst. Er erklärt: „Trotz durchaus verbesserter und verbrauchsärmerer Motoren hat der Gesamtausstoß von Kohlendioxid durch die immer schwerer und stärker gewordene PKW-Flotte nicht etwa ab-, sondern weiter zugenommen.“ Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Die Manager befinden sich in einer Art Gefangenendilemma

Für Daniel Goeudevert befinden sich die großen Konzerne, deren Angestellte sich eher an Jahresbilanzen als an längerfristigen Perspektiven orientieren, in einer Art Gefangenendilemma. Warum sollte sich ein Manager gegen den kurzfristigen Profit entscheiden und einseitig die Kosten für sinnvolle Maßnahmen übernehmen, wenn alle anderen weiterarbeiten wie bisher. Er weiß zwar, dass Änderungen notwenig sind, würde aber durch entsprechend verantwortliches Handeln seine eigene Position schwächen und der Konkurrenz im schlimmsten Fall sogar einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Also wartet der Manager ab, was passiert. Diese betriebswirtschaftlich vernünftige Entscheidung ist jedoch laut Daniel Goeudevert gesamtwirtschaftlich die schlechteste. Daniel Goeudevert erläutert: „Das so genannte Gefangendilemma ist ein aus der Spieltheorie bekanntes Paradoxon, das zeigt, wie rationale Einzelentscheidungen der Gesamtheit und damit am Ende auch den einzelnen Entscheidern Schaden zufügen können.“ Das heiß in anderen Worten: Wenn jeder nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist und sich für seine Belange optimal verhält, haben alle gemeinsam den geringsten Nutzen.

Die Konkurrenzwirtschaft erzeugt immer Unsicherheit und Misstrauen

Dieselben Mechanismen scheinen auch in der bisherigen Globalisierung zu wirken. Das Dilemma besteht für Daniel Goeudevert darin, dass kein Wettbewerber wissen kann, wie sich sein Konkurrent verhalten wird. Er ergänzt: „Nur durch Kooperation und Vertrauen wäre ein besseres Ergebnis erreichbar. Aber Kooperation und Vertrauen sind unter den Wettbewerbsbedingungen der Konkurrenzwirtschaft schwer herstellbar. Es bleibt immer ein Schuss Unsicherheit und Misstrauen im Spiel.“

Also erscheint es auf den ersten Blick ökonomisch vernünftig, sein Handeln auf jeden Fall am eigenen Vorteil auszurichten. Dennoch ist laut Daniel Goeudevert eine neue und andere Ökonomie möglich. Er schreibt: „Und sie ist nicht „nur“ ethisch geboten, sondern auch ökonomisch vernünftig.“ Der gesellschaftliche Rahmen, in dem ein Konzern arbeitet und aus dem heraus er seine Legitimität bezieht, ist mindestens ebenso wichtig wie die Kostenstruktur. Vertrauen ist die Basis jedes Geschäfts, das mehr als nur einmal funktionieren soll.

Von Hans Klumbies