Die Idee der Liebe ist im Niedergang begriffen

Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2019 lautet: „Was weiß mein Körper?“ Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt in ihrem Editorial, dass der Mensch nicht nur einen Körper hat, der sich beobachten, vermessen, perfektionieren, instrumentalisieren lässt, sondern auch Leib ist. Durch ihn nimmt er die Welt wahr – ihre Farben, ihren Geruch, die Atmosphäre im Raum, ja sogar den Raum selbst und nicht zuletzt sich selbst. Der Leib? Nur ein Anhängsel der Seele, das dem Geist gehorcht. So lehrten es über Jahrhunderte Philosophen und Theologen. Doch birgt der Körper bei näherem Hinsehen selbst ein Wissen – ja sogar eine Weisheit. Denn ganz gleich, ob einem Menschen Gefahr droht, er sich verliebt oder Erinnerungen aufruft: Bisweilen scheinen Darm, Bauch, oder Nase etwas zu erkennen, von dem der Verstand noch nichts ahnt.

Die Erniedrigung des Volkes macht den Populismus groß

Dieter Thomä, Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen, weiß, dass bereits die Gründerväter der Demokratie das Volk für dumm hielten. Diese Erniedrigung macht den Populismus heute wieder groß. Dieter Thomä vertritt die These, dass diesen nur der Glaube an die Mündigkeit des Menschen besiegen kann. Stattdessen klammern sich die Hüter der Demokratie zurzeit an die Institutionen und versuchen, sie vor dem Volk zu schützen. Diese Verpanzerung rettet die Demokratie nicht, sondern zerstört sie.

Das Gespräch“ führte das Philosophie Magazin diesmal mit der weltberühmten Soziologin Eva Illouz, die unter anderem die These vertritt, dass die Idee der Liebe im Niedergang begriffen ist. Das Paradox aus 50 Jahren sexueller Freiheit besteht ihrer Meinung nach darin, dass die Menschen heute in der westlichen Welt weniger sexuelle Beziehungen haben als zwei Generationen zuvor, obwohl die sexuellen Normen viel durchlässiger und vielfältiger sind. Die Zahl der Alleinlebenden steigt unaufhörlich. Man tritt sehr schnell in eine Beziehung ein. Aber man verlässt sich auch sehr schnell.

Francis Fukuyama verteidigt die Demokratie

Die Rubrik „Der Klassiker“ ist Simone de Beauvoir und dem Feminismus gewidmet. Als im Jahr 1949 ihr Buch „Das andere Geschlecht“ erscheint, entfaltet sich umgehend dessen theoretische und gesellschaftliche Sprengkraft. Noch nie zuvor war die Situation der Frau so umfassend analysiert worden, noch nie hatte jemand das vermeintlich unhintergehbare „Ewigweibliche“ so radikal infrage gestellt wie Simone de Beauvoir. „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“, lautet die vielzitierte Quintessenz des Buches, das seine Verfasserin zur Ikone des modernen Feminismus und einflussreichsten Intellektuellen Frankreichs machte.

Als Buch des Monats hat das Philosophie Magazin Francis Fukuyamas „Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet“ ausgewählt. Der Autor kritisiert: Statt die bestehenden demokratischen Systeme zu schätzen und zu stärken, spaltet sich die Menschheit quer durch alle Lager in lauter spezifischere Interessengruppen auf, die im Kampf um die Anerkennung der eigenen Identität rivalisieren. In der Renaissance lernte das moderne Subjekt sich immer mehr auf sein „inneres Selbst“ zu fokussieren, in dessen Namen Revolutionen und Emanzipationen vorangetrieben wurden, letztlich auch die Demokratie, um deren Verteidigung es Francis Fukuyama geht.

Von Hans Klumbies