Die alten ökonomischen Regeln scheinen außer Kraft gesetzt

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft bis auf Weiteres jeden Monat für 80 Milliarden Euro Staatsanleihen und neuerdings auch Schuldpapiere von Unternehmen. Das bedeutet letztendlich auch, frisch gedrucktes Geld unter die Leute zu bringen. Für Wolfgang Kaden ist das hochgradig unsolide. Er kritisiert die schöne neue Wirtschaftswelt: „Kredite gibt es zum Nulltarif; die Notenbanken rund um den Erdball bunkern inzwischen tonnenweise Schuldpapiere der Regierenden; und wer Geld spart, muss womöglich mit Strafabschlägen rechnen.“ Die alten ökonomischen Regeln von ehrbarer kaufmännischer Rechnung scheinen außer Kraft gesetzt. Die Verschuldung, die schon in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Häufung von Krisen und Crashs beschert hat, wird mit Hilfe der Notenbanken in immer lichtere Höhen getrieben. Wolfgang Kaden, der ehemalige Chefredakteur des „Spiegels“ und des „Manager Magazins“ gehört zu den renommiertesten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland.

Die USA hat inzwischen Schulden von 19 Billionen Dollar

Wolfgang Kaden nennt Zahlen: „Inzwischen steht das reichste Land der Erde, die USA, mit astronomischen 19 Billionen Dollar in der Kreide; die Welt insgesamt mit dem Dreifachen ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung.“ Und der Chef der EZB Mario Draghi denkt nicht daran, seinen gefährlichen Kurs des ultrabilligen Geldes zu ändern: „Es gibt keine Grenzen, wie weit wir gewillt sind, mit unseren Instrumenten innerhalb unseres Mandats zu gehen.“ Warnungen wie die von Nikolaus von Bomhard, dem Chef der Münchner Rückversicherung, verhallen ungehört.

Nikolaus von Bomhard bescheinigt den Verantwortlichen in den Notenbanken und Regierungen eine übertriebene Neigung zum Risiko, Gier und mangelndes Management der Gefahren. Dazu kommt, dass manches für die Annahme spricht, dass die Entscheider in den fortgeschrittenen Industrienationen hinter Wachstumszahlen herlaufen, die illusorisch sind. Seit dem Start ins Industriezeitalter wächst die Wirtschaftsleistung beständig, unterbrochen nur von den beiden Weltkriegen und von gelegentlichen Konjunktureinbrüchen.

Wolfgang Kaden stellt ein immer größeres Wirtschaftswachstum in Frage

In der entwickelten Welt, auch in vielen Schwellenländern, lebt die Menschheit heute in einer materiellen Fülle, die sich noch vor hundert Jahren niemand hätte vorstellen können. Doch es soll immer noch mehr werden. Der Wachstumskritiker Reinhard Miegel schreibt: „Die einzigartige Wohlstandsexplosion der neueren Geschichte hat die Menschen so nachhaltig geprägt, dass sie mit einer gewissen Automatik in den Kategorien von Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung fühlen, denken und handeln.“

Es war vor allem die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg, die den Massenwohlstand schuf. Allerdings mit einer verblüffenden Gesetzmäßigkeit, die doch Veranlassung liefern müsste, den ungebrochenen Glauben an einen immer höheren Ausstoß von Gütern und ein immer größeres Angebot von Diensten in Frage zu stellen: Denn von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ist der durchschnittliche jährliche Zuwachs immer geringer geworden. Wolfgang Kaden kennt die Zahlen: „In Deutschland schrumpfte er beispielsweise von satten 8,2 Prozent plus im Nachkriegsjahrzehnt von 1950 bis 1960 auf magere 1,0 Prozent im vergangenen Jahrzehnt.“ Quelle: Bilanz – Das deutsche Wirtschaftsmagazin

Von Hans Klumbies

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