Rebekka Reinhard erforscht die Absurdität

Die Erfahrung des Absurden machen laut Rebekka Reinhard nicht nur Jugendliche. Ganz im Gegenteil stellt die Absurdität die Standardsituation des modernen Menschen dar, der sich zwar damit abgefunden hat, dass kein Gott mehr sein Flehen erhört, dass sich ihm die Welt in der er lebt, schrecklich gleichgültig zeigt. Dennoch kann es der Mensch nicht lassen dieser Welt seinen Stempel aufzudrücken. Beispielsweise indem er in den Krieg zieht oder Bakterien mit künstlichem Erbgut produziert. Rebekka Reinhard schreibt: „ Im Alltag verbindet sich das Absurde mit der fraglosen Akzeptanz routinemäßiger Vorgänge.“ Die meisten Menschen freunden sich mit ihrer absurden Lage an, gewöhnen sich an sie, sie funktionieren.

Der Mythos des Sisyphos

Doch bei manchen Menschen kommt der Tag, an dem sie Ekel an ihrem monotonen Alltag empfinden. Das Vertraute wird ihnen fremd. Das kann von heute auf morgen passieren, und es wird klar, dass die Gewohnheit nichts an der Absurdität des Lebens ändern kann. Dann stürzen die Kulissen ein. Albert Camus schreibt in seinem Essay „Der Mythos des Sisyphos“: „Eines Tages aber steht das „Warum?“ da, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an.“ Wer begonnen hat Fragen zu stellen, kann damit nicht mehr aufhören. Dies trifft vor allem dann zu, wenn es keine Antworten mehr gibt.

Der Literaturnobelpreisträger Albert Camus warnt die Menschen davor, ihr Leben mit routinemäßigem Stumpfsinn zu vergeuden. Auch er meint zwar, dass das moderne Leben absurd ist, egal, ob sich die Menschen dessen bewusst sind oder nicht. Ein Selbstmörder beispielsweise setzt zwar seiner Absurdität ein Ende, aber stellt damit auch keine Ordnung her, die Sinn stiften könnte. Der Tod bringt also nicht die erhoffte Erlösung.

Das Leben besteht aus Herausforderungen

Laut Rebekka Reinhard hat es keinen Sinn, an dieser Welt zu verzweifeln. Die Menschen sollten ihr lieber mit mehr Phantasie begegnen. Die Philosophin kritisiert: „Aber genau das verhindern wir, indem wir unser Leben routinemäßig in Module gliedern. Das Leben besteht nun einmal nicht aus Einzelteilen, sondern aus Herausforderungen.“ Solange die Menschen nur damit beschäftigt sind, Leistungen zu erbringen und zu funktionieren, weichen sie diesen Herausforderungen aus, auch wenn sie zwischendrin einmal kurz die Sinnfrage stellen.

Viele Menschen leben nicht, sie lassen sich leben. Albert Camus fordert vom Menschen, seine Geschäftigkeit zu unterbrechen und eine Pause einzulegen. Auch die Kinder leiden unter dem Funktionswahn. Rebekka Reinhard schreibt: „Wir geben die Absurdität unserer Alltagsroutine an unsere Kinder weiter, anstatt sie zu ermutigen, ihren Blick für das Leben jenseits der Routine, jenseits der Alternativen ewiger Geschäftigkeit und ausdauernder Passivität zu schärfen.“ Den Menschen fehlt es an Vorstellungsvermögen. Wenn sie nicht mehr weiterwissen, schicken sie ihre Kinder in die Therapie.

Von Hans Klumbies