Das Freiheitsstreben der Menschen ist die mächtigste Kraft in der Geschichte

Das Thema der Ausgabe 03/2018 des philosophischen Wirtschaftsmagazins agora42 lautet „Befreiung“. Befreiung ist ein schönes Wort schreibt Chefredakteur Frank Augustin. Doch wer realistisch ist, für den bedeutet es zunächst Entzug; den Entzug von der Normalität. Gegliedert ist das Heft in drei Teile. Im ersten Abschnitt werden Begriffe, Theorien und Phänomene vorgestellt, die für das gesellschaftliche Selbstverständnis grundlegend sind. Da geht es zum Beispiel um das Pathos der Freiheit oder um die Befreiung vom destruktiven Wachstum. Im Porträt stellt Katalin Bolyhos den französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre vor. Der zweite Teil enthält ein Interview mit Johannes Galli, der Scheitern als Befreiung begreift. Im dritten Teil des Magazins brechen die Autoren zu neuen Ufern auf. Sie stellen sich die Frage, wie sich eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit denken lässt und wie sich konkrete Veränderungen herbeiführen lassen.

Destruktives Wachstum verursacht zahlreiche ökologische Probleme

Für Robert Misik ist Freiheit ein Wort, das sofort einen pathetischen Beiklang gewinnt. Denn das Freiheitstreben der Menschen ist vielleicht die mächtigste Kraft in der Geschichte. Robert Misik ergänzt: „Wenn Bürger in gemeinsam genützter Freiheit ein Gemeinwesen aufbauten, sind das die erhabensten Momente gewesen.“ Aber es gilt auch: Liebreizend ist die Freiheit, solange sie einem vorenthalten wird. Hat man sie, weiß man nicht recht etwas anzufangen mit ihr. Freiheit hat zudem die Voraussetzung, von Furcht und von Not frei zu sein.

Destruktiv nennt der Soziologe Stephan Lorenz ein Wachstum, das zahlreiche ökologische Probleme verursacht. Es ist verantwortlich für das Aussterben von Arten, für die Verwüstungen von Landschaften, für schmelzende Gletscher bis zu Plastik in Fischmägen oder Feinstaub in der Atemluft. Viele Menschen verstehen unter „Freiheit“ nur die Abwesenheit von Zwängen und Einschränkungen. Doch wenn Jean-Paul Sartre den Menschen als frei charakterisiert, so meint dies, dass der Mensch sich selbst als ein entwerfendes, entscheidendes, Möglichkeiten ergreifendes und handelndes Wesen versteht.

Menschen können selbstbestimmt die Gesellschaft verändern

Ein solcher Mensch nimmt demgemäß sein Leben selbst in die Hand, statt lediglich auf äußere Anforderungen zu reagieren und sich treiben zu lassen. Die von Jean-Paul Sartre gemeinte Freiheit ist radikal und unausweichlich. Der einzelne Mensch entwirft sich selbst und gibt seinem Leben damit einen individuellen, je eigenen Sinn. Johannes Galli, der sich selbst als philosophierenden Clown oder clownesken Philosophen bezeichnet, kritisiert im Interview die aktuelle Kindererziehung: „Das Problem ist, dass Eltern heute keine Zeit haben, die Kinder zu erziehen. Sie vermitteln folgendes: Du bist klein und dumm, mach mich nach, imitiere mich und dann kommst du schon durchs Leben. Das ist die ganze Erziehung, die wir heute haben: Imitation.“

Im dritten Teil des philosophischen Wirtschaftsmagazins agora42 werden unter anderem Unternehmen und Projekte vorgestellt, die ökonomisches und gesellschaftliches Neuland betreten. Das „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ wurde 2011 gegründet. Es versteht sich als Thinktank, gemeinnütziger Verein oder als Kollektiv. Der Sprecher des Kollektivs, Christopher Laumanns, erklärt: „Die jetzige Wirtschaft ist ungerecht und zerstört die Natur. Mit unserer Arbeit wollen wir deshalb Menschen die Zuversicht geben, dass es sehr wohl möglich ist, selbstbestimmt die Gesellschaft zu verändern.“

Von Hans Klumbies