Gottfried Wilhelm Leibniz, der von 1646 bis 1716 lebte, ist für Vittorio Hösle nicht nur der am vielseitigsten begabte Deutsche aller Zeiten gewesen, sondern war zugleich auch der letzte Universalgelehrte der Menschheit. Er war umfassend gebildet n der Logik, der Erkenntnistheorie, der Metaphysik, der Religionsphilosophie, der Mathematik, der Natur- und Ingenieurswissenschaften, der Jurisprudenz und der Historiographie. Vittorio Hösle schreibt: „Es gibt kaum einen anderen Menschen, dessen Lektüre so sehr als Gegengift gegen Stolz auf eigene, selbst bedeutende geistige Leistungen zu empfehlen ist, weil der intelligente Leser sehr bald spürt, das Leibniz` Fähigkeit, in allen Feldern einfache, wenn auch manchmal kontraintuitive Lösungen für komplexe Fragen zu finden, unerreichbar ist.“ Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor for Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).
Ein literarisch ausgefeiltes Hauptwerk blieb Gottfried Wilhelm Leibniz versagt
Gottfried Wilhelm Leibniz besitzt einen alles erhellenden Geist, der in einer Persönlichkeit wurzelt, die ihre Intelligenz nicht einfach moralischen Zwecken unterworfen hat, sondern von Natur aus gutartig war. Der große Denker war immer aufrichtig darum bemüht, auch in anderen Positionen als der eigenen eine partielle Wahrheit zu erkennen. Gottfried Wilhelm Leibniz besaß in hohem Grade die Fähigkeit zur Synthese, die charakteristisch ist für die meisten seiner bedeutenden geistigen Leistungen.
Zu bestimmten philosophischen Theorien muss es kommen, weil sie in der Natur der menschlichen Vernunft begründet sind. Aber von Gottfried Wilhelm Leibniz kann man lernen, dass dies Sekundärursachen nicht ausschließt. Aber selbst dieser großartige Denker stößt manchmal an seine Grenzen. Vittorio Hösle erklärt, dass ihn seine polyhistorischen Interessen, seine Kontaktfähigkeit und Umtriebigkeit zum Beispiel davon abgehalten haben, ein wirklich umfassendes, literarisch ausgefeiltes Hauptwerk zu schaffen.
Gottfried Wilhelm Leibniz begründet die Infinitesimalrechnung
Die originellsten Ideen des Denkers finden sich eher in privaten Skizzen, Essays für auserwählte Bekannte und Briefen. Vittorio Hösle entdeckt noch eine zweite Schwäche in den Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz: „Sein Glaube an die Vernünftigkeit der Welt hat ihn Phänomene übersehen lassen, deren Abgründigkeit zwar mit seinem System nicht inkompatibel ist, es aber leicht existentiell unglaubwürdig werden lässt.“ In manchen seiner Schriften ist auch eine gewisse kindliche Naivität festzustellen.
Gottfried Wilhelm Leibniz hat, wie auch René Descartes, seinen Platz unter den größten Philosophen ebenso wie unter den produktivsten Mathematikern. Unabhängig von Isaac Newton begründete er die Infinitesimalrechnung, zu der er als erster Schriften veröffentlichte. Er entwickelte zudem das Binärsystem, und trug Wichtiges zu Funktionen-, Matrizen- und Determinanten- sowie Wahrscheinlichkeitstheorie und Kombinatorik bei. Auch bei der Topologie und zur Axiomatisierung der Arithmetik finden sich bei Gottfried Wilhelm Leibniz programmatische Ideen.
Von Hans Klumbies