Ein wohlwollendes Betrachten des eigenen Selbst führt zu Gelassenheit

Der römische Philosoph Seneca verfasste ein Traktat zur Gelassenheit, mit der er auf die überaus aktuell klingenden Sorgen seines Freundes Serenus antwortete – ein Zeitgenosse, der auf der Suche nach dem guten Leben aus seiner Rastlosigkeit keinen Weg zur inneren Ruhe erkennen konnte und dabei sehr an modere Suchende erinnert. Ina Schmidt erläutert: „Serenus beklagt eine innere Unruhe, die ihm zwar keine existenzielle Not verursache, aber doch eine nagende Unzufriedenheit und das Gefühl, das eigene Leben nicht richtig anzugehen.“ Nicht, dass er nicht schon verschiedenste Möglichkeiten ausprobiert habe – seine Versuche von der materiellen Askese über innere Einkehr bis zu sozialem Engagement hätten die innere Unruhe aber nur noch gesteigert. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Die Natur des Menschen ist eine unruhestiftende

Das sind Themen, die vielen der heutigen Menschen bekannt vorkommen und offenbar nicht allein einer global vernetzten Welt geschuldet, sondern der unruhestiftenden Natur des Menschen zu verdanken sind. Seneca führt die Sorgen seines Freundes auf eine einzige Wurzel zurück, nämlich den Umstand, „keinen Gefallen an sich selbst zu haben“. Dabei geht es dem römischen Philosophen nicht um eine unkritische Begeisterung für das innere Selbst und den narzisstischen Wunsch, allein das Eigene zu verwirklichen, sondern darum, sich diesem Eigenen zu widmen und es mit Wohlgefallen zu betrachten.

Dazu zählt das, was gut, und das, was vielleicht auch nicht so gut geraten ist – ohne den stetigen Wunsch nach Optimierung. Dieses wohlwollende Wissen um das Eigene sieht Seneca als wichtigste Quelle an, um der stürmischen Welt da draußen etwas entgegensetzen zu können, was auch in Zeiten von Wandel und Veränderung, selbst in Momenten der Not und der Unsicherheit einen Rahmen, einen Boden bieten kann, auf dem sich kluge Entscheidungen treffen lassen. Kann man dieses Wohlgefallen nicht aufbringen, dann fehlt das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen.

Die Stoiker fragen nach den Grenzen eines Menschen

Damit fehlt einem Menschen auch die Möglichkeit, Einfluss auf die Welt um sich herum zu nehmen. Ina Schmidt weiß: „Darin aber sollte den Stoikern zufolge das eigentliche Ziel bestehen, um in einer Gemeinschaft, einer bestehenden Ordnung, den eigenen Platz auf die bestmögliche Weise auszufüllen.“ Eine wichtige Frage steht dabei im Mittelpunkt ihres Denkens: „Was steht in meiner Macht?“ In anderen Worten: Was kann man tatsächlich beeinflussen, und wo sind die Grenzen dessen, was ich tun beziehungsweise mir zum Ziel setzen kann?

Insbesondere der Philosoph Epiktet, ebenfalls ein wichtiger Vertreter der jüngeren Stoa, hat mit diesen grundsätzlichen Fragen deutlich gemacht, dass man zwar nicht immer alles können können, sehr wohl aber in der Lage ist, mehr zu tun als man glaubt – wenn man ernsthaft den Rahmen des Möglichen auslotet. Für die Stoiker ist gerade nicht alles für jeden zu jeder Zeit möglich oder erreichbar, und doch bedeutet gerade diese Beschränkung die eigentliche Voraussetzung für ein geglücktes Leben. Quelle: „Das Ziel ist im Weg“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies

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