Macht verändert den Status anderer

Wenn die Sozialwissenschaften dazu tendieren, Macht über Geld, militärische Stärke und politische Teilhabe zu definieren, tun sie das aus gutem Grund. Denn Aktivitäten, die sich darauf stützen, können die Welt erheblich verändern. Dacher Keltner ergänzt: „Durchdringt aber Macht jegliche Art der sozialen Dynamik, müssen wir sie neu definieren. Um damit zu zeigen, wie Menschen die Welt verändern, ohne auf Geld, militärische Aktivitäten und die Politik zurückzugreifen.“ So definiert, ist Macht die Fähigkeit, den Status anderer zu verändern. Mit Status meint Dacher Keltner die Stellung einer Person oder einer Gruppe im weitersten Sinne. Der Status kann also viele Bereiche betreffen: den Stand des Bankkontos, den Glauben, die Emotionen, die Gesundheit und so weiter. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

Macht steckt in jedem Objekt und in jeder Ware

Definiert man Macht auf diese Weise, versteht man besser, dass sie viele Formen hat. Und man versteht, wie man andere in vielfältiger Weise beeinflussen kann. Dacher Keltner erklärt: „Ein wichtiger Punkt ist, das wir das Wissen vergrößern können, dass jemand von der Welt hat. Und in der Tat beginnt ein tief greifender sozialer Wandel oft mit einem neuen Verständnis von der Welt.“ Sieht man Macht als einen Weg zur Veränderung des Status anderer, versteht man auch den Einfluss von Kunst, Musik, Literatur und Satire besser.

Macht steckt auch in jedem Objekt, in jeder Ware: in ihrer Entwicklung und Herstellung, darin, wie sie den Status anderer verändert, in den Ressourcen, die nötig sind, um sie besitzen zu können, und darin, dass sie eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft signalisiert. Auch in allen sozialen und privaten Beziehungen in jeder Interaktion steckt Macht. Die Sozialpsychologie nahm lange Zeit an, bestimmte Kategorien von Beziehung seinen frei von der Dynamik der Macht. Zum Beispiel die Beziehung junger Liebender oder die zwischen Eltern und Kindern.

Macht dringt in alle Beziehungen ein

Neuere weltweite Studien haben aber gezeigt, dass Macht Bestandteil jeder Beziehung ist. Natürlich ist die Macht in manchen Beziehungen auffälliger und deutlicher. Bei näherem Hinsehen erweist sich aber, dass in allen Beziehungen der Einfluss wechselseitig ist. Definiert man Macht als die Änderung des Status anderer, bedeutet das, dass Macht in alle Beziehungen eindringt – von der Familie über Freundeskreise bis zum Warentausch. Dacher Keltner erläutert: „Haben wir erkannt, dass alle sozialen Beziehungen von Macht durchdrungen sind, kann uns das neue Einsichten in unser ganz privates Leben bieten.“

Man kann seine Identität bis hin zur Machtdynamik des ganz frühen Familienlebens zurückverfolgen. Sehr viele Konflikte zwischen sehr jungen Geschwistern haben mit Macht zu tun. Auf der Basis dieser Machtdynamik entwickeln die Geschwister ihre bleibenden Identitäten. Für die Älteren ist die Wahrscheinlichkeit größer, nach Macht zu streben. Die Jüngeren lernen hingegen ausgefeilte Techniken der Freundlichkeit und Kooperation, um Konflikte mit den tyrannischen älteren Geschwistern zu vermeiden. Quelle: „Das Macht-Paradox“ von Dacher Keltner

Von Hans Klumbies