Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) Ottmar Issing vertritt die These, dass der Euro nicht scheitern wird und es ihn noch lange geben wird. Es stellt sich für ihn nur die Frage, was für ein Euro es sein wird. Für ihn steht auf dem Prüfstand, ob die Währung stabil bleibt. In dieser Hinsicht ist er voller Optimismus. Der Euro wird stabil bleiben, weil es eine unabhängige Notenbank mit dem klaren Auftrag gibt, die Preisstabilität zu garantieren. Ottmar Issing erklärt: „Wir haben das Verbot der monetären Finanzierung. Geldpolitik geschieht aber nicht im politikfreien Raum. Wir brauchen also auch eine solide Finanzpolitik – sowie einen Arbeitsmarkt und eine Kreditwirtschaft, die dazu passen.“
Das Schnüren von immer größeren Hilfspaketen ist ein grundlegender Fehler
Ottmar Issing kritisiert die Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Seiner Meinung nach ist die Idee, Währungsreserven zu vergemeinschaften und zur Rettung von Ländern einzusetzen ein klarer Verstoß gegen das Verbot der monetären Finanzierung. Er stellt die Frage, wie die Währungsunion jemals wieder Vertrauen gewinnen soll, wenn man sich nicht auf rechtlich verankerte Prinzipien verlassen kann. Überhaupt nicht einverstanden ist Ottmar Issing mit dem aktuellen Kurs der EZB. Er sagt: „Der Kauf von italienischen Staatspapieren hat die Reformen in Italien nicht gefördert, um es milde auszudrücken.“
Die weltweite ökonomische Entwicklung wird laut Ottmar Issing immer schriller charakterisiert. Für ihn sieht die Mehrheit der Ökonomen ihr Heil darin, immer mehr Liquidität bereitzustellen und mehr Inflation in Kauf zu nehmen. Die Gefährlichkeit der Krise ist keine Legitimation für den Einsatz falscher Mittel. Ottmar Issing erklärt: „Sicher ist das Weltfinanzsystem fragil – ich halte aber das Schnüren von immer größeren Hilfspaketen für einen völlig verfehlten Ansatz.“
Euopa ist durch die mangelnde Unterstützung der Bürger in Gefahr
Für Ottmar Issing gibt es keinen Fonds, der ausreichen würde, um Italien zu retten. Er fordert: „Italien kann und muss sich selbst retten.“ Glaubwürdige Reformen würden seiner Meinung nach von den Finanzmärkten wirklich honoriert werden. Ottmar Issing sagt: „Italien braucht keine finanziellen Hilfen. Je mehr sich Länder darauf verlassen können, dass sie gerettet werden, desto geringer ist der Reformdruck nach innen.“ Außerdem sollte man daran denken, dass Italien erhebliche Goldreserven besitzt, bevor man Währungsreserven vergemeinschaften will.
Ottmar Issing gefällt nicht, dass Europas Politiker alle 17 Euro-Länder in der Währungsunion scheinbar um jeden Preis halten wollen. Diese Strategie hat seiner Meinung nach von Anfang an in eine falsche Richtung geführt. Ottmar Issing sagt: „Mit dieser Ansage macht sich die Politik erpressbar.“ Die momentane Hauptsorge Ottmar Issings ist nicht ökonomischer oder finanzieller, sondern politischer Natur. Er erklärt: „Wenn etwas Europa gefährdet, dann ist es die mangelnde Unterstützung durch die Bürger. In Deutschland ist die Begeisterung für Europa dramatisch zurückgegangen.“
Von Hans Klumbies