Macht steckt in allen Handlungen des Alltags

Die Sozialpsychologen haben des Entstehen von Macht häufig auf der Basis des Paradigmas der „führerlosen Gruppendiskussion“ untersucht: Man bringt eine Gruppe Fremder zusammen und bittet sie, ein Problem gemeinsam zu lösen. Es werden dabei keine Rollen zugewiesen, es gibt also auch weder Führer noch Anweisungen noch Hilfestellungen. Dacher Keltner erklärt: „Während der Entscheidungsfindung erlangen einige der Teilnehmer sehr schnell Macht. Einige Teilnehmer bilden rasch Verhaltensmuster heraus, die Einfluss signalisieren und auch so interpretiert werden.“ Das Gleiche gilt auch für die Interaktion von Kindern. Wie Untersuchungen der „führerlosen Gruppendiskussionen“ zeigen, taucht die Macht immer sehr schnell auf. Die Menschen gewinnen sie als das Ergebnis oft unscheinbarer, alltäglicher Verhaltensweisen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

Macht ist im sozialen Leben erstaunlich leicht zu gewinnen

Die Macht eines Menschen ist oft in ganz einfachen Handlungen verborgen, die Menschen zusammenführen und der Gruppe den größten Vorteil bringen. Dacher Keltner erläutert: „Die Veränderungen, die wir in der Welt bewirken, hängen oft von den Alltäglichkeiten ab: ob wir die richtige Frage stellen, ob wir die anderen ermutigen, ob wir Menschen zusammenbringen, die sich nicht kennen, ob wir richtige Fragen stellen.“ Macht ist in den alltäglichen Handlungen des sozialen Lebens erstaunlich leicht zu gewinnen, und bleibende Macht hängt davon ab, einfache Dinge zu tun, die gut für die anderen sind.

Dass die Macht mit den Handlungen des Alltags verbunden ist, erklärt, warum sie ständig im Fluss ist. Die Fähigkeit eines Menschen, Dinge zu beeinflussen, verändert sich ständig in Abhängigkeit von diesen Handlungen. Die Macht verändert sich aber auch von einem Kontext zum anderen. Sie hängt auch von ganz spezifischen Aktionen ab, die auf die jeweilige Situation zugeschnitten sind. Heute beruht die Arbeit mehr als je auf Zusammenarbeit und auf Netzwerken. Die Hälfte aller Tätigkeiten in den USA wird in Teams erledigt.

Die Macht ist im Besitz einer Gruppe

Die Macht wird auch über soziale Netzwerke verteilt und besteht darin, anderen Macht zu verleihen. Niemand hat das klarer gesehen als die Philosophin Hannah Arendt. Die Macht des nationalsozialistischen Staates des Dritten Reichs lag ihrer Meinung nach nicht nur bei bösartigen Individuen, sondern war über die Netzwerke dieses machtbesessenen und machtkranken Systems verteilt. In ihrem Buch „The Origins of Totalitarism“ unterschied Hannah Arendt 1951 deutlich zwischen Sklaverei, totalitären Staaten und dem Holocaust.

Hannah Arendt erklärte ihren Lesern, wie derartige Regimes der Unterdrückung, die auf nackter Gewalt beruhen, den Betroffenen ihre Macht nehmen und damit die Fähigkeit, etwas in der Welt zu verändern. Hannah Arendt Konzept von Macht beruht auf diesen Beobachtungen: „Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält.“ Quelle: „Das Macht-Paradox“ von Dacher Keltner

Von Hans Klumbies