Klaus Biedermann stellt sich die Frage, ob das Phänomen Burn-out vielleicht etwas mit fehlender Sinnhaftigkeit im Leben der Betroffenen zu tun haben könnte oder gar mit dem Verlust von Werten. Jemand, der wirklich tief begeistert ist von dem, was er tut, kann seiner Meinung nach gar nicht ausbrennen, im Gegenteil: „Er bekommt Kraft aus seiner Tätigkeit, auch wenn er zwölf Stunden oder mehr darauf verwendet.“ Aber bei vielen Menschen ist das nicht der Fall. Arbeitsüberlastung, Tempodruck, mangelnde Mitsprache bei der Gestaltung der Arbeitsprozesse, Mobbing, autoritäre Führungsstile und fehlende Wertschätzung sind Faktoren, die auch in Deutschland den Menschen ein hohes Maß an Belastbarkeit abverlangen. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.
Nur Dienstboten müssen ständig erreichbar sein
Klaus Biedermann erläutert: „Vor diesem Hintergrund finden viele nicht mehr genügend Muße und Entspannung, um mit den Anforderungen des Alltags fertig zu werden.“ Dennoch bekommen auch Menschen einen Burn-out, die den eben genannten Verhältnissen nicht ausgesetzt sind. Andere wiederum, die 60 Stunden in der Woche arbeiten, trifft er nicht. Einerseits sind viele Menschen stolz auf ihre Freiheit, die sie für das höchste Gut halten, versklaven sich selbst aber immer mehr, indem sie sich von Dingen wie E-Mails, Handys und Smartphones abhängig machen – je mehr sie davon besitzen, desto erfolgreicher meinen sie zu sein.
Viele Menschen bilden sich ein, ständig erreichbar sein zu müssen, aber machen sich damit auch in eigenen Prozessen jederzeit unterbrechbar. Dabei geht es selten um wesentliche Informationen, sondern viel mehr um Ruhestörung. Klaus Biedermann stellt klar: „Da jedoch nur Dienstboten ständig erreichbar sein müssen, ist derjenige wirklich erfolgreich, der es sich leisten kann, sein Handy auszuschalten.“ Von Frank Schirrmacher stammt folgende kluge Anmerkung: „Jeder weiß, wie man ein Smartphone bedient, die politische Frage lautet umgekehrt, wie man verhindert, dass man vom Smartphone bedient wird.“
Der moderne Mensch wir din einem Tätigkeitstaumel gehalten
Problematisch wird es dann, wenn man ein Smartphone wie ein Junkie benutzt. Klaus Biedermann betont: „Der dadurch erzeugt negative Stress kann sich aufstauen und zu Störungen führen, die Seele, Geist und Körper gleichermaßen schwächen. Dies hat oft Nervosität, Schlaflosigkeit, emotionale Labilität oder Angstzustände zur Folge.“ Bereits Albert Schweitzer bemerkte, lange bevor es Smartphones gab: „Der moderne Mensch wird in einem Tätigkeitstaumel gehalten, damit er nicht zum Nachdenken über den Sinn seines Lebens und der Welt kommt.“
In jedem Fall haben Smartphone und Co. die Kommunikation verändert und übernehmen mehr und mehr für die Menschen das Denken. Sie stellen ihnen auf Basis von Antworten, die sie einmal gegeben haben, neue Fragen. Der Potsdamer Kinder- und Jugendpsychiater Ulrich Preuß hat beobachtet, dass sich der Druck im Alltag durch das Smartphone deutlich erhöht hat. Viele Jugendliche befinden sich in einem ständigen Stand-by-Modus, weil sie jederzeit erreichbar sein wollen. Quelle: „Burn-In statt Burn-Out“ von Klaus Biedermann
Von Hans Klumbies