Die häufigste Diagnose bei Autounfällen heißt Schleudertrauma

Rund 300.000 Autounfälle mit Personenschäden wurden in Deutschland im Jahr 2012 erfasst. Leicht verletzt wurden dabei 318.099 Menschen. Eine der häufigsten Diagnosen lautete: Schleudertrauma. In der Fachsprache der Ärzte heißt es Halswirbelsäulen-Distorsion, posttraumatisches Zervikalsydrom oder Beschleunigungstrauma. Das Schleudertrauma beschreibt eher einen Unfallhergang als einen Befund. Professor Gert Krischak, Leiter des Instituts für Rehabilitationsmedinzinische Forschung an der Universität Ulm, erklärt: „Das ganze Geschehen bei einem Heckaufprall dauert nicht länger als eine Zehntelsekunde.“ Zuerst werden dabei Oberkörper und Kopf nach hinten gedrückt. Gert Krischak fügt hinzu: „Dabei gibt es noch keine schädlichen Einwirkungen auf die Halswirbelsäule.“ Erst in der zweiten Phase des Aufpralls kommt es zur eigentlichen Verletzung und zwar wenn der, im Vergleich zum Hals, schwerere Kopf langsamer als Hals und Oberkörper nach vorn geht.

Den idealtypischen Auffahrunfall gibt es nicht

Die nach hinten gebogenen Halswirbel werden dabei überstreckt. Anschließend federn Kopf und Oberkörper wieder nach vorn in Richtung Windschutzscheibe. Professor Christian Knop, ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Katharinenhospital in Stuttgart, ergänzt: „Bei einem Frontal- oder Seitenaufprall entsteht die Verletzung ganz ähnlich. Wenn Sie selbst auffahren, wird der Oberkörper in der Regel durch den Gurt zurückgehalten. Der ungesicherte Kopf schleudert nach vorn, knallt wieder zurück und schlägt hinten an die Kopfstütze.“

Auch in einem solchen Fall kann das Überstrecken das Beschleunigungstrauma auslösen. Laut Christian Knop gibt es den idealtypischen Auffahrunfall nicht. Denn je nachdem, ob der Fahrer im Augenblick des Unfalls geradeaus sieht, zum Beifahrer hinüberschaut oder aus dem Seitenfenster blickt, können ganz unterschiedliche Bänder, Muskeln und Wirbeln verletzt werden. Christian Knop erläutert: „Resultiert daraus keine schwere Verletzung, dann passiert etwas, was man im weitesten Sinn unter dem Begriff Zerrung verstehen kann: eine Dehnung von Weichteilstrukturen.“

Ein Schleudertrauma macht sich oft erst nach Stunden oder Tagen schmerzlich bemerkbar

Bei einem leichten Schleudertrauma ist es im Grunde die Zerrung, die für die Schmerzen des Betroffenen verantwortlich ist. Die meisten Patienten erleiden ein Trauma mit einem Schweregrad zwischen null und zwei. Dann klagen leicht Verletzte über Schmerzen in Kopf und Nacken, Schwindel, Übelkeit  oder eine starre Wirbelsäule. Manchmal kommen außerdem Einschränkungen bei der Bewegung hinzu. Dass sich die Schmerzen häufig erst nach Stunden oder Tagen nach dem Unfall bemerkbar machen, ist keine Folge des Schocks, sondern ist auf die Entzündungsreaktion zurückzuführen.

Aber nicht nur die verzögerte Reaktion des Schmerzes macht die Diagnose eines Schleudertraumas mitunter so schwierig. Das große Problem dabei ist, das die Ärzte ganz oft auf die Beschreibungen der Verletzten angewiesen sind. Mit bildgebenden Verfahren lässt sich lässt sich die Ursache von Nacken- und Kopfschmerzen häufig nicht nachweisen. Dennoch wird die Wirbelsäule eines Patienten nach einem Autounfall in der Regel geröntgt, um eine schwere Verletzung auszuschließen. Weil Bandverletzungen im Röntgenbild nicht zu erkennen sind, werden im Zweifelsfall weitere Untersuchungen wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) verordnet.

Von Hans Klumbies