Für den ehemaligen Topmanager Daniel Goeudevert haben verantwortliches Handeln und Anstand nicht nur eine zivile und soziale, sondern auch eine wichtige ökonomische Dimension. Doch diese Tatsache scheint heute fast vollständig in Vergessenheit geraten zu sein. Daniel Goeudevert schreibt: „Rücksichtslosigkeit wird irgendwann vom Markt bestraft. Nur wer die Konsequenzen seines Tuns bedenkt, wer verlässlich ist, Qualität liefert und wem seine Kunden vertrauen, wird sich dauerhaft gegen Mitbewerber behaupten können.“ Erst Anstand ermöglicht seiner Meinung nach Vertrauen. Als Beispiel nennt Daniel Goeudevert den Slogan „Made in Germany“, der nie nur für hohe Produktqualität stand, sondern immer auch für Verlässlichkeit und Fairness. Er beklagt allerdings, dass Verantwortung und Anstand vom Aussterben bedrohte Tugenden sind. Jede Nachrichtensendung und leider auch viele Blicke auf den Alltag bestätigen diese These.
Das Wesen des Fortschritts
Die Gier scheint sich zum obersten Geschäftsprinzip aufgeschwungen zu haben, die Gewinnmaximierung hat sich zum heiligen Gral aller professionellen Aktivitäten entwickelt. In der Wirtschaft, wie sie Daniel Goeudevert versteht, hat die Gier allerdings keinen Platz. Er schreibt: „In der Wirtschaft, die ich meine, ist auch Geiz alles andere als geil. Denn wer geizig oder gierig ist, das hat schon Sigmund Freud erkannt, „wird Sklave seines Triebs, der den Verstand ausschaltet.“ Eine Ökonomie mit „ausgeschaltetem Verstand“ ist aber keine mehr.“
Das Wesen des Fortschritts besteht für Daniel Goeudevert nicht so sehr in der Rationalisierung, Beschleunigung, Qualitätsverbesserung und so fort. Er erklärt: „Das Wesen des Fortschritts ist eher darin zu suchen, was all die fortschreitenden Errungenschaften mit uns gemacht haben und bis heute mit uns machen.“ Dieser Geist des Fortschritts ist seiner Meinung nach sehr viel prägender als all seine konkreten Hervorbringungen. Als Beispiel nennt er das Auto, das nicht nur das Transportwesen revolutioniert, sondern auch ein völlig neues Verhältnis zu Raum und Zeit begründet hat.
Eine Innovation lässt sich nicht allein auf ihre Funktion reduzieren
Schon zu Beginn der Moderne wurde laut Daniel Goeudevert ein Wesensmerkmal des Fortschritts offenbar, das bis heute eine immer stärkere Prägekraft entfaltete, das aber viel zu selten in offenes Denken übersetzt wird. Daniel Goeudevert schreibt: „Eine Maschine, eine technische oder technologische Neuerung lässt sich nicht allein auf ihre Funktion reduzieren. Sie ist nicht neutral. Sie enthält einen Wirkungsüberschuss. Sie beeinflusst immer auch den politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Kontext, in dem sie zum Einsatz kommt.“
Daniel Goeudevert vertritt die These, dass die Maschine gewissermaßen einen Geist verströmt, in der die Tendenz angelegt ist, alle Poren des Gesellschaftlichen zu durchdringen. Für diesen Geist aber, den er für das Wesen des Fortschritts hält, kann schwerlich eine konkrete Person zur Verantwortung gezogen werden. Dennoch sind Fragen nach der Verantwortung heute drängender denn je, obwohl die Antworten auf diese Fragen immer schwieriger zu geben sind. Dies liegt an der modernen, industriellen, arbeitsteiligen Technik, die für die Verschleierung von Verantwortlichkeiten sorgt. Diese neue Unübersichtlichkeit hat inzwischen alle Lebensbereiche erfasst.
Von Hans Klumbies