Eva Illouz erforscht die Komplexität der Partnerwahl

Die Wahl des Partners zum Zweck der Fortpflanzung, der Befriedigung sexueller Lust und des Zusammenlebens unterliegt laut Eva Illouz in den meisten Gesellschaften strengen Gesetzen, weil es um die Übertragung von Besitztümern geht, um den gesetzlichen und wirtschaftlichen Status von Ehefrau und Kindern sowie um die Organisation der biologischen Reproduktion. In ihrem neuen Buch „Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung“, schreibt die Soziologin Eva Illouz, dass romantische Liebe und Partnerwahl auf einer Ökologie der Wahl beruht und nicht einzig von Gefühlen bestimmt wird, wie es auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Unter der Ökologie der Wahl versteht Eva Illouz ein Bündel von geographischen, kulturellen und ökonomischen Faktoren, die dafür entscheidend sind, unter wie vielen möglichen Kandidaten ein Mensch in welcher Weise seine Partnerwahl trifft.

Die Herkunft des Partners spielt heute kaum noch eine Rolle

In vormodernen Zeiten gab es laut Eva Illouz meist eine endogame Wahl, das heißt eine Person heiratete jemanden aus der eigenen religiösen, ethnischen, nationalen und sozioökonomischen Gruppe. Das hat sich gravierend geändert. Eva Illouz schreibt: „Heute sind die Auswahlmöglichkeiten viel größer, die Herkunft des Partners spielt kaum noch eine Rolle. Früher beruhte die Partnerwahl auf Pflichtgefühl und Konvention, heute geht es um Selbstverwirklichung. Früher betrachtete man eine einzige Liebeserklärung oder ein paar Wochen des Werbens als verbindlich. Heutzutage ziehen wir es vor, uns alle Optionen offen zu halten, selbst nach der Eheschließung.“

Für Eva Illouz war die Ehe in vormodernen Zeiten wichtig, weil man auf diese Art und Weise seinen sozialen Status verdeutlichen konnte. Männer heirateten damals ebenso gerne wie Frauen, weil sie dadurch an Macht gewannen. Die Familie war von patriarchalischen Strukturen geprägt. Heute müssen sich die Männer, ob verheiratet oder nicht, auf dem Markt verkaufen. Ihr wirtschaftlicher und sozialer Status wird nicht mehr über die Familie gewährleistet. Eva Illouz schreibt: „In kapitalistischen Gesellschaften beweisen Männer ihre Männlichkeit, wenn sie autonom sind und im Wirtschaftsleben andere beherrschen.“

Ein durchaus passender Partner genügt nicht mehr

Da es in der heutigen Zeit für die Ehe keine wirtschaftlichen Gründe und kulturellen Normen mehr gibt, sind gemäß Eva Illouz die Männer seltener bereit als Frauen eine Ehe zu schließen. Die Soziologin vertritt auch die These, dass Männer und Frauen bei der Partnersuche völlig unterschiedliche Vorstellungen haben. Die Komplexität der modernen Partnerwahl umfasst für Eva Illouz mindestens drei Aspekte. Sie erklärt: „Erstens: Der Pool potentieller Kandidaten ist unüberschaubar geworden. Zweitens: Er gibt vielfältigere und ausdifferenzierte Kriterien. Drittens: Die Sexualität wird von Männern und Frauen zunehmend als Selbstzweck kultiviert, so dass eine Kluft entsteht zwischen sexuellen Beziehungen und festen, zuverlässigen Beziehungen.“

Wie Studien im Bereich der Kognitionspsychologie beweisen, wird es angesichts dieser unendlichen großen Auswahl von potentiellen Partnern immer schwieriger, Präferenzen festzulegen und sich klar zu entscheiden. Die Menschen sind durch die unbeschränkte Auswahl immer weniger in der Lage, sich definitiv für einen Partner zu entscheiden. Eva Illouz erklärt „Entsprechend der Logik der Konsumkultur begünstigen Online-Partnerbörsen eine zunehmende Differenzierung und Verengung der persönlichen Vorlieben. Es gibt ja immer mehr Alternativen. Das führt dazu, dass ein durchaus passender Partner nicht mehr genügt – es muss der bestmögliche sein.“

Von Hans Klumbies