Christoph Ransmayr will das Schreiben niemals aufgeben

Die Bücher von Christoph Ransmayr (60) spielen in der Regel in unwirtlichen Gegenden, denen das Leben abgerungen werden muss. In ihnen offenbart sich ihre Schönheit nur, wenn Menschen sie zu erzeugen vermögen – eine Fähigkeit die der leidenschaftliche Bergsteiger Christoph Ransmayr in seinem Schreiben auf die Spitze der Virtuosität treibt. Dennoch nennt sich der österreichische Schriftsteller nicht Dichter, sondern Tourist. Christoph Ransmayr begründet dies wie folgt: „Wie viele schreckliche Gestalten haben sich nicht schon Dichter genannt. Touristen dagegen nennt sich dagegen keiner gern.“ Selbst Pauschalreisende wollen doch lieber Entdecker, Helden, Abenteurer und einsame Grenzgänger sein. Aber selbst wenn sich Christoph Ransmayr bestens vorbereitet und mit allem ethnologischen Instrumentarium im Inneren einer fremden Kultur bewegt, bleibt er seiner Meinung nach in den Augen der Besuchten doch nur ein Tourist, ein sprachloser Idiot, ein Depp.

Persönliche Vorstellungen werden auf Reisen manchmal zerstört

Mit dem Reisen ist für Christoph Ransmayr keine notwendige und unausweichliche Erkenntnis verbunden: „Reisend eignet man sich im günstigsten Fall eine Art Immunität gegen die Versuchung an, vertraute Verständnissysteme zum Dogma zu erheben.“ Selbst die Bedeutung eines einzelnen Wortes ist für ihn unter jenem Horizont, auf den man sich zubewegt, nicht zu halten. Einige persönliche Vorstellungen werden auf Reisen verformt, verwandelt und oft sogar zerstört. Denn es ist ja keinesfalls so, dass dem Wanderer nur ein einzig glitzernder Reichtum und großartige exotische Vielfalt entgegenfunkelt.

Die Romanfiguren von Christoph Ransmayr treiben sich oftmals in fremden, einsamen Gegenden herum, etwa im Buch „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Was Christoph Ransmayr schreibend oder reisend interessiert, ist immer auch der ungeheuerliche Hintergrund der Naturgeschichte, vor dem sich der Schatten des Einzelnen umso klarer abzeichnet: „Auf der Suche nach größtmöglicher Deutlichkeit kann man also auf die Idee kommen, eine Geschichte in der Wüste, im Hochgebirge oder im Packeis spielen zu lassen.“

Für das Schreiben braucht man im doppelten Sinne Disziplin

Laut Christoph Ransmayr weiß kaum einer so viel vom Heimweh, kaum einer so viel von der Kostbarkeit der Liebe, seiner Freundschaften, seiner Familie wie der, der sich immer wieder auf den Weg macht: „In der Weite wird einem im besten Fall vieles klarer: über die Menschen, die mir begegnen, und über die, die ich verlassen habe – natürlich auch über mich selbst.“ Wenn Christoph Ransmayr in Amazonien Menschen gegenübertritt, deren Sprache, Bräuche und Gesten er nicht versteht, wird klarer, dass diese Weite, ja Leere zwischen Menschen grundsätzlich besteht.

Christoph Ransmayr hat nie daran gedacht, mit dem Schreiben aufzuhören: „Eher würde ich mein Leben beenden als meine Arbeit. Mir war schon sehr früh klar, dass der Zauber der Verwandlung etwas in Sprache das Einzige ist, was ich wirklich will und kann und dass es keine einzige Anstrengung gibt, die mich auch annähernd so erfüllt.“ Für das Schreiben braucht man seiner Meinung im doppelten Sinne Disziplin: Man muss den Schreibtisch auch im richtigen Moment verlassen können und sich nicht bloß überwinden und hinsetzen.

Kurzbiographie: Christoph Ransmayr

Christoph Ransmayr wurde 1952 in der oberösterreichischen Stadt Wels geboren. Im Alter von zwanzig Jahren beginnt er das Studium der Philosophie und Astronomie in Wien. Im Jahr 1984 erscheint Christoph Ransmayrs erster Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Vier Jahre später erzielt er einen internationalen Erfolg mit seinem Buch „Die letzte Welt“. Er erhält zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg. Im Jahr 1995 erscheint der Roman „Morbus Kitahara“. Christoph Ransmayr erhält den Franz-Kafka-Preis. In diesem Jahr wurde der Schriftsteller für sein Werk „Atlas eines ängstlichen Mannes“ mit dem Fontane-Preis geehrt. Quelle: Philosophie Magazin

Von Hans Klumbies