Wolfgang Hetzer analysiert die Arbeit von Politikern und Experten

Wolfgang Hetzer weist mit Recht darauf hin, dass der Versuch, politische Entscheidungen an Expertengremien auszulagern, an einem grundlegenden Missverständnis zum Scheitern verurteilt ist. Niemand kann seiner Meinung nach den Politikern die Arbeit abnehmen, für die sie selbst die zuständigen Experten sind, beziehungsweise sein sollten. Ihre Tätigkeit beginnt damit, die Wahrscheinlichkeiten mit Blick auf die Zukunft abzuwägen und sie zu politischen Risiken ins Verhältnis zu setzen. Daran kommt kein Politiker vorbei. Der Expertenrat als Hilfe für politische Entscheidungen ist für Wolfgang Hetzer wertlos geworden. Selbst wenn unter den Sachverständigen Einstimmigkeit bestände, kommt für den Politiker eine Umsetzung der Empfehlungen der Experten „eins zu eins“ nicht in Frage. Der Politiker muss als Experte für das Aushandeln und Austarieren gesellschaftlicher Interessen selbstständig handeln. Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

Eine Expertenregierung ist in Wahrheit eine Laienkabinett

Der Sinn demokratischer Herrschaft liegt nicht darin, sachlich richtig, sondern konsensfähig zu sein. Wolfgang Hetzer erläutert: „Der Experte, der sich der Sache selbst verpflichtet fühlt, wird unpraktikable Vorschläge machen, weil er die Eigenlogik der Politik nicht mitbedenkt, für die wiederum der Politiker der Experte ist.“ Der Politiker dient der Sache und damit den Bürgern umso mehr, je mehr er seiner Profession treu bleibt und sich nicht im Fachlichen verheddert. Deshalb ist seiner Meinung nach der Begriff der Expertenregierung so irreführen.

Denn es handelt sich laut Wolfgang Hetzer dabei eher um eine Laienregierung, da die dort auftretenden Verantwortlichen keine Erfahrung auf dem Gebiet der politischen Machterringung noch Machtausübung haben. Die Krisen der Finanzräume und des Euroraums haben deutlich gemacht, dass es in der Politik nicht um Entscheidungen geht, die aus der Sicht politikfremder Disziplinen als richtig oder falsch einzustufen sind. Weder ein Rat von Experten noch eine politische Entscheidung konnten verhindern, dass während der Eurokrise viele positive Errungenschaften Europas in den Hintergrund gedrängt wurden.

Die Zukunft Europas hängt von Deutschland ab

Die Zukunft Europas wird laut Wolfgang Hetzer nicht vom Inhalt irgendwelcher angeblich wissenschaftlicher Äußerungen oder Gutachten abhängen. Die entscheidende Frage ist für ihn: „Was will Deutschland in Europa und warum?“ Der Rest des Kontinents und die ganze Welt warten auf eine Antwort. Der Analyst Nikolaus Piper glaubt, dass Europa immer noch eine Rezession bevorstehen könnte, die allerdings relativ mild ausfallen werde. Deutschland könnte mit einer bloßen Stagnation davonkommen.

Viele Ökonomen haben der Europäischen Zentralbank (EZB) den Tabubruch nicht verziehen, die Zinsen für die Staatsschuldner Italien und Spanien zu reduzieren. Denn dafür gab es keinen geldpolitischen Grund, sondern nur ein fiskalpolitisches Ziel. Deshalb bezeichnen sie die EZB als finanzpolitischen Handlanger der Politik. Wolfgang Hetzer erklärt: „Es habe ein Rückfall in die geldpolitische Steinzeit stattgefunden, als Zentralbanken politisch gesteuert waren und der fehlende Sparwille der Politik durch das Anwerfen der Notenpresse ersetzt wurde.“

Von Hans Klumbies