Ein Grundziel sexueller Fortpflanzung ist der Erhaltung beziehungsweise gewissermaßen die Steigerung von genetischer Diversität. Durch bestimmte unter dem Begriff Rekombination zusammengefasste Prozesse wird dabei dafür Sorge getragen, dass die Nachkommen genetisch anders sind als die Eltern und auch zwischen den Mitgliedern einer Generation ein signifikantes Maß an genetischer Verschiedenartigkeit existiert. Markus Hengstschläger erklärt: „Abgesehen von zwei eineiigen Zwillingen ist das Genom eines Menschen einzigartig. Andererseits ist der genetische Unterschied zwischen zwei Menschen, wenn man ihn in Prozent der gesamten DNA ausdrückt, eigentlich auch wieder nur gering.“ Aber eben signifikant und relevant, sodass es sich dabei gemeinsam mit den für jeden Menschen individuellen Umwelteinflüssen aller Art und die beiden Komponenten handelt, die die Basis menschlicher Individualität bilden. Markus Hengstschläger ist Professor für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien.
Schon immer gab es den Traum vom besseren Menschen
Gemeinsam mit der genetischen Vielfalt aller Organismen ist diese genetische Individualität des Menschen auch Teil des evolutiven Konzepts, höchstmögliche Resilienz gegenüber neuen Umweltbedingungen dadurch aufrechtzuerhalten, dass man eben möglichst viele genetische Antworten parat hat. Was Jean-Jacques Rousseau einmal als perfectibilité, als unendlich fortsetzbares Streben des Menschen nach Perfektion, zieht sich als Motiv durch die ganze Geschichte der Menschheit: der Traum vom besseren Menschen.
Markus Hengstschläger erläutert: „Der Mensch kommt gewissermaßen unfertig, mit seinen genetischen Anlagen, auf die Welt, und seine Vollendung ist der auf ihn einwirkenden Umwelt sowie seiner eigenen Tätigkeit überlassen. Der Mensch ist auf seine Gene nicht reduzierbar, er ist das Produkt der Wechselwirkung zwischen Genen und Umwelt.“ In diesem Prozess stärkt der Mensch seinen Geist etwa durch Lernen und seinen Körper durch körperliche Ertüchtigung. Das Ziel bleibt offen. Die Frage nach dem Besseren muss unbeantwortet bleiben.
Die Selbstoptimierung ist untrennbar mit der Selbstvermessung verbunden
In Zeiten eines auch global immer härter werdenden Konkurrenzkampfes ist die körperliche un geistige Leistungsfähigkeit sowohl für die soziale Anerkennung als auch für das berufliche Weiterkommen von immer größer werdender Bedeutung. Viele verschiedene Strategien stehen dem Einzelnen heute zur Verfügung, um im Zuge seiner Selbstoptimierung das Optimalste aus dem Gegebenen zu machen. Der Begriff „Enhancement“ wird hierbei oft für den Versuch verwendet, die Grenzen des biologisch Gegebenen dabei auch ein wenig zu verschieben.
„Biohacking“ ist der Oberbegriff für eine Lebenseinstellung, die grundsätzlich darauf aus ist, das biologische Rüstzeug des Menschen immer besser zu nutzen oder es sogar vielleicht zu verbessern. Die Selbstoptimierung des Menschen ist untrennbar mit seiner Selbstvermessung verbunden. Apps, die eine permanente Überwachung und damit zum Beispiel auch eine Steigerung des Fitnessprogramms ermöglichen, sind heute bereits weltweit in täglicher Anwendung. „Brain Computer Interfaces“ sind dagegen heute noch immer hauptsächlich der Forschung vorbehalten. Quelle: „Neue Menschen! Von Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)
Von Hans Klumbies