Obwohl die meisten Menschen erwarten, dass es zwischen Moral und Gesetz eine Beziehung gibt, ist es für Julian Baggini keine einfache Sache, die beiden Dinge so nahe wie möglich zusammenzubringen. Vieles, was Menschen als falsch erachten, ist nicht gesetzwidrig, und vieles, was gesetzwidrig ist, ist in sich nicht falsch. Und die meisten möchten, dass dies so bleibt. Der Philosoph Julian Baggini ist 1968 in Dover, Kent geboren. Er ist Mitbegründer und Herausgeber des „Philosopher´s Magazine“. Er schreibt regelmäßig für große Zeitungen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Der Sinn des Lebens“ und ist 2005 im Piper Verlag erschienen. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Ethik“ und ist im Verlag Springer Spektrum veröffentlicht worden.
Eine Regierung muss ihren Bürgern Freiheit und Autonomie gewähren
Die Beziehung zwischen dem, was richtig ist und dem, was rechtmäßig sein soll, ist laut Julian Baggini überaus kompliziert und beispielsweise ein viel diskutiertes Thema in der Drogenpolitik. Und es gibt jede Menge anderer beispielhafter Fälle, wo es scheint, als sei etwas, das gesetzlich erlaubt ist, moralisch schlechter als etwas, das gesetzlich verboten ist und umgekehrt. Julian Baggini erklärt: „Ein einfach zu lösendes Problem sollte man meinen: Man muss das Gesetz nur in Einklang bringen mit der Moral. Die Wahrheit ist aber sehr viel komplizierter.“
Die meisten Menschen halten es beispielsweise für falsch, den Partner zu betrügen, einen guten Freund anzulügen, oder jemanden, der einem freundlich entgegentritt, ohne Grund zu verärgern und ihm undankbar zu begegnen. Jedoch würde wohl kaum ein Mensch auf die Idee kommen, dass diese Verhaltensweisen gesetzlich verboten gehören. Denn ein Staat, der versuchen würde, das moralische Leben derart eng zu kontrollieren, wäre ein totalitärer Unterdrückungsstaat. Es ist die Aufgabe einer Regierung, ihren Bürgern zu ermöglichen, als freie und autonome Personen zusammenzuleben.
Das Rechtssystem ist eine soziale Konstruktion
Andererseits gibt es laut Julian Baggini nicht wenige Dinge, die gesetzwidrig sind, aber nicht grundsätzlich falsch. Dazu zählt der britische Philosoph die meisten Gesetze rund um das Thema Verkehr. In den meisten Fällen schränken hier die Gesetze des Handlungsspielraum der Menschen nur ein, weil individuelle Entscheidungen in Übereinstimmung gebracht werden müssen, um die Straßen befahrbar zu machen und den Verkehr fließend zu halten. Daraus folgt: „Was moralisch „falsch“ ist, muss nicht unbedingt „gesetzwidrig“ sein, und was „gesetzmäßig sein sollte, muss nicht unbedingt „moralisch vertretbar“ sein.
Daher ist es nicht möglich, Fragen der Legalität des Drogenkonsums einzig und allein unter moralischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Dennoch muss es natürlich eine gewisse Verbindung zwischen Gesetz und Moral geben. Wenn Gesetze zum Beispiel ganz offensichtlich unrechtmäßig sind, ist der Gesetzgeber aufgefordert, sie aufzuheben. Julian Baggini erklärt: „Das Rechtssystem, so heißt es, ist eine soziale Konstruktion, deren Grundlage und Legitimation in den kulturellen und geschichtlichen Tatsachen liegen.“
Von Hans Klumbies