In jedem denkbaren Fall besagt Liebe so viel wie Gutheißen

Die Liebe ist sowohl etwas, das Menschen als bewusst Handelnde selber ausüben und tun, wie auch etwas, das einen überkommt und wie eine Verzauberung widerfährt. Die Liebe ist einesteils eine Regung, die aufs Haben und Genießen aus ist, und anderenteils eine Gebärde der selbstvergessenen Hingabe und des Schenkens. Die Liebe ist auch eine Hinwendung, die möglicherweise Gott meinen kann wie auch andere Menschen, aber auch die vielfältigen Güter des Lebens wie Sport, Wissenschaft, Wein und Gesang. Josef Pieper definiert die Liebe wie folgt: „In jedem denkbaren Fall besagt Liebe so viel wie Gutheißen. Das ist zunächst ganz wörtlich zu nehmen. Jemanden oder dieses Etwas „Gut“ nennen und, zu ihm gewendet, sagen: Gut, dass es das gibt; gut, dass due auf der Welt bist.“ Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

Der Wille kann sich in der Form der Liebeskraft äußern

Die hier gemeinte Gutheißung ist für Josef Pieper eine Willensäußerung; sie bedeutet also das Gegenteil von distanzierter, rein theoretischer Neutralität; sie besagt: einverstanden sein, beipflichten, Billigung, Beifall, Bejahung, Lob, Rühmung und Preisung. Alle diese Willensäußerungen haben den Sinn: Ich will, dass es dich oder das gibt! Etwas bereits Verwirklichtes bestätigen und bejahen – eben das heißt: Lieben. Thomas von Aquin hat einmal bemerkt, dass der Wille durchschnittlich „Strebekraft“ genannt wird.“

Doch der Begriff des Willens reicht noch weit darüber hinaus. Thomas von Aquin schreibt: „Doch kennt der Wille nicht allein diesen Akt, anzustreben, was er noch nicht hat, sondern auch den anderen: zu lieben, was er schon besitzt, und sich daran zu freuen.“ Man kann also unterscheiden zwischen dem Willen als Liebeskraft und dem Willen als Kraft der Wahlentscheidung. Martin Buber spielt in seiner Psalmen-Übertragung schon fast auf den erotischen Sinn der Liebe an: „In die Weite hat er (Gott) mich herausgeholt, schnürt mich los; denn er hat an mir Lust.“

Die Liebe ist der früheste Akt des Willens

Die Liebe ist laut Josef Pieper der Ur-Akt des Wollens überhaupt, der alles Tun-Wollen vom Grunde her durchströmt; alle Willensentscheidung hat in diesem Grund-Akt ihren Ursprung und ihr Prinzip. Die Liebe ist ihrer Natur nach nicht nur der früheste Akt des Willens, sondern aus ihr leitet sich auch jede Willensregung her. Außerdem befeuert die Liebe auch als Prinzip alle konkreten Entscheidungen und hält sie in Gang. Die Liebe ist als der Ur-Akt des Willens zugleich der Quellpunkt und die Mitte der Existenz überhaupt.

Ob zum Guten oder zum Bösen, ein jeder lebt aus seiner Liebe. Josef Pieper erläutert: „Es ist die Liebe, sie allein, die in Ordnung sein muss, damit der Mensch im Ganzen richtig sei und gut.“ Selbst der schwächste Grad der Liebe besagt offenbar immerhin noch Zustimmung zur baren Existenz des anderen; und das ist beileibe nicht wenig. Thomas von Aquin sagt: „Das Erste, das ein Liebender will, ist, dass der Geliebte existiert und lebt. Das Ich, das liebt, will vor allem die Existenz des Du.“ Alexander Pfänder [Deutscher Philosoph (1870 – 1941)] beschreibt die Liebe wie folgt: „Die Liebe ist eine Parteinahme für das Dasein des Geliebten.“

Von Hans Klumbies