Wer seine Heimat, sein Land, seine Herkunft, für die beste der Welt hält, verschafft sich das Wohlgefühl einer Selbstbeheimatung, liefert andererseits aber auch einen Schlachtruf für die Maßgeblichkeit des Eigenen gegenüber dem Fremden, die durch nichts weiter als die subjektive Sehnsucht nach Großartigkeit gerechtfertigt ist. Christian Schüle fügt hinzu: „Als Einfallstor für Missverständnis und Missbrauch ist die Stilisierung der Heimatscholle als Faktor einer positiv konstruierten Identität immer in Gefahr der Abwertung.“ Der Wert, den man dem Eigenen zuspricht, gründet in der Homogenität: der durch keine Fremdheit kontaminierten Reinheit. Das Biotop wird zum Soziotop erklärt, und alles, was dieses als heimisch deklarierte Soziotop bedroht, wird dann „berechtigterweise“ abgelehnt. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.
Nationalismus ist politisierter Heimatschutz
Homogenität ist der geistige Kristallisationskern des Nationalen, und er war es vermutlich schon immer. Christian Schüle erläutert: „In seiner national-sozialistischen Variante 1933 führte er bekanntlich zum größten Zivilisationsbruch der jüngeren Menschheitsgeschichte. Eugenik, Ausmerzung schlechter Erbanlagen, überhaupt der Biologismus, der auf faszinierende und fatale Weise mit dem Geburtsboden verknüpft wurde.“ Grenzauflösung heißt in letzter Konsequenz Ordnungszerfall.
Und der Zerfall der Ordnung zieht den Verlust von Kontrolle nach sich. Nicht von der Hand zu weisen ist die Beobachtung, dass Menschen kulturelle und soziale Abgrenzungen brauchen. scheint der Mensch eher auszuschließen und auszugrenzen, als einzuladen und einzuhegen. Die Lust an der Ausgrenzung ist ihm gleichermaßen zu eigen wie der Revier-Reflex, der im Fremden eine existenzielle Bedrohung erfühlt. Heimatschutz lässt sich vor diesem Hintergrund als Eliminierung des Zufalls lesen. Nationalismus ist politisierter Heimatschutz.
Die „Deutsche Verteidigungsliga“ kämpft gegen den Islam
Es ist nicht allein die Beschwörung einer fiktiven Wesensgemeinschaft, sondern Protektionismus gegenüber jenen, die den Merkmalen der Heimatgemeinschaft nicht entsprechen – ohne begründen zu können, warum, inwiefern und nach welchen Kriterien sie ihm nicht entsprechen können oder sollen. Das führt bisweilen zu Extremismus, wie man ihn bei der deutschen „Reichsbürgerbewegung“ erkennen kann wie auch in der offen rechtsextremen Gruppierung „German Defence League“. Programm dieser 2010 gegründeten „Deutschen Verteidigungsliga“, die sich an das britische Vorbild „English Defence League“ anlehnt, ist der Kampf gegen den Islam.
Im Verein mit den „Identitären“ und den „Reichsbürgern“ ergibt sich eine Widerstandsallianz, die, offensichtlich im Auftrag der Verteidigung jüdisch-christlicher wie griechisch-römischer Traditionen, das Abendland vor der Invasion des Islam zu retten vorgibt. Interessanterweise bezeichnet sich die vom Verfassungsschutz beobachtete Liga als „Menschenrechtsorganisation“. Die Ziele jener Heimatschutz-Bewegungen scheinen ähnlich zu sein, der Bezug zu Hitler, Holocaust und Drittem Reich ist allerdings unterschiedlich. Während die „Reichsbürger“ Reichsideologen zur Rettung Deutschlands in den Grenzen von 1914 sind, nutzt die „Verteidigungsliga“ als Symbol die „Wirmer-Flagge“, die als Flagge der Widerstandskämpfer nach dem erfolgreichen Attentat gegen Hitler die deutsche Nationalflagge hätte werden sollen. Quelle: „Heimat“ von Christian Schüle
Von Hans Klumbies