Fast jede Technik lässt sich als Waffe einsetzen

Die Begabung für die Sprache und für die Vernunft gehört zweifellos zum Wesen des Menschen. Ohne jede Technik ein Mängelwesen, macht sich der Mensch mit der Hilfe von Technik von zahlreichen Zwängen der Natur frei. Er unterwirft sie seinem Willen. Otfried Höffe erklärt: „Die Technik hat sowohl eine emanzipatorische Tragweite – sie befreit von Zwängen – als auch eine positive, konstruktive Bedeutung.“ Nicht nur der Suezkanal, die Mondlandung und die immer kleineren und trotzdem immer leistungsfähigeren Rechner, sondern auch antike Aquädukte und gotische Kathedralen sind technische Meisterleistungen. Ein Mensch, der für die Wirklichkeit offen ist, übersieht auch nicht die von vornherein für aggressive und destruktive Ziele und Zwecke entworfene Technik. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Der Begriff „Natur“ hat zwei verschiedene Bedeutungen

Auch entgeht ihm nicht, dass die für konstruktive Leistungen entworfene Technik sich zweckentfremden und missbrauchen lässt: Fast jede Technik kann man zu Waffen entwickeln oder direkt als Waffe einsetzen. Glücklicherweise gibt es auch die Gegenrichtung. Die Atomenergie lässt sich nicht nur militärisch, sondern auch friedlich nutzen. Allerdings ist auch die friedlich gemeinte Atomenergie alles andere als ungefährlich. Nachdem er den Technikbegriff erklärt hat, widmet sich Otfried Höffe im Anschluss daran dem Begriff der Natur.

Der Ausdruck „Natur“ hat zwei grundverschiedene Bedeutungen. In formaler Hinsicht bezeichnet Natur das begrifflich, in manchen Bereichen auch gesetzmäßig erfassbare Wesen einer Sache, auch des Menschen. In materieller Hinsicht geht es dagegen um die Gesamtheit aller wahrnehmbaren, nicht vom Menschen hergestellten, sondern ihm vorgegebenen Gegebenheiten. Zu ihnen gehören sowohl anorganische und organische Stoffe als auch Pflanzen und Tiere, als Lebewesen betrachtet ebenfalls der Mensch.

Die Natur stellt die zum Leben notwendigen Mittel bereit

Otfried Höffe blickt zurück: „Seit ihren Anfängen pflegt die Menschheit zur materiellen Natur eine ambivalente Beziehung. Der „romantische Blick“ nimmt nur die schöpferischen und vitalen, also die für die Freiheit positiven Leistungen in den Blick.“ Er sieht nämlich, dass im Lauf der Naturgeschichte, so die schöpferische Seite, zunächst überhaupt Leben, dann immer leistungsfähigere Formen des Lebens, schließlich ein Wesen der Freiheit – der Mensch – entstehen. Für all diese Lebewesen stellt die Natur, so ihre zweite vitale Leistung, die zum Leben notwenigen Mittel bereit.

Der im umgangssprachlichen Sinn des Ausdrucks „romantische“ Blick sieht drittens noch den Kosmos im ursprünglichen Sinn, die Wohlgeordnetheit der Natur, auch ihre Schönheit und manches Staunen erregende, alles Gewöhnliche, Zweckmäßige und Berechenbare übersteigende Phänomen. Konzentriert man sich, vom Thema Technik bedingt, auf den Menschen und seine Umwelt, so zeichnet sich die Natur nicht lediglich durch Hilfe und Schönheit aus. Nicht zuletzt ist die Natur auch an Zerstörungsmacht überreich. Selbst die sogenannten Naturvölker können sich des Schreckens der Natur nicht entziehen. Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies