Geschenke sollen das Wohlbefinden des Empfängers maximieren

Es ist ein Ausdruck von Freundschaft, wenn man dem Freund oder der Freundin ein Geschenk macht, wobei die Gaben unvermeidlich einen materiellen Aspekt haben. Bei manchen ist der Geldwert relativ unbedeutend, bei anderen kann er sehr hoch sein. In den letzten Jahrzehnten hat sich laut Michael J. Sandel ein Trend zu Geldgeschenken verstärkt. Seiner Meinung nach einem weiteren Beispiel für die zunehmende Umwandlung des gesellschaftlichen Lebens in Geschäftsbeziehungen. Ökonomen fällt es schwer, in Geschenken einen Sinn zu erkennen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es fast immer besser, statt eines Sachgeschenks Bargeld zu verschenken. Ein Geldgeschenk bringt ökonomisch den größten Nutzen. Michael J. Sandel ist politischer Philosoph, der in Oxford studiert hat und seit 1980 in Harvard lehrt. Seine Vorlesungen über Gerechtigkeit machten ihn zu einem der bekanntesten Moralphilosophen der Gegenwart.

Im Normalfall vernichtet der Kauf von Geschenken Werte

Michael J. Sandel erklärt: „Wenn es Ihnen also wirklich darauf ankommt, dass Ihr Geschenk maximales Wohlbefinden hervorruft, sollten Sie kein Geschenk kaufen; überreichen Sie einfach das Geld, das Sie dafür ausgegeben hätten.“ Der Freund oder die Freundin kann das Geld entweder für den Gegenstand verwenden, der als Geschenk gedacht war, oder für etwas, was ihm oder ihr noch mehr Freude bereitet. Das ist die Logik des wirtschaftlichen Plädoyers gegen Sachgeschenke. Allerdings gibt es natürlich ein paar Ausnahmen.

Wenn der Schenkende auf etwas stößt, dass dem Freud gefallen könnte, er es aber nicht kennt, ist es möglich, dass das Geschenk dem Beschenkten mehr Freude bereitet als etwas, was er sich für den finanziellen Gegenwert selbst gekauft hätte. Doch auch dieser Sonderfall ist mit der Grundannahme der Ökonomen vereinbar, dass der Zweck von Geschenken darin besteht, das Wohlbefinden oder den Nutzen für den Empfänger zu maximieren. Joel Waldvogel, Ökonom an der University of Pennsylvania behauptet: „Im Normalfall vernichtet der Kauf von Geschenken Werte und kann Geldgeschenken höchstens in Sonderfällen gleichwertig sein.“

Sorgfältig ausgewählte Geschenke können ein Ausdruck der Liebe sein

Joel Waldvogel hat bei seinen Studien herausgefunden, dass die Empfänger von Geschenken, die Sachen um zwanzig Prozent geringer bewerten, als wenn sie die Sachen selbst gekauft hätten. Geschenke können allerdings auch, besonders wenn sie sorgsam ausgewählt sind, ein Ausdruck der Liebe sein. Michael J. Sandel erläutert: „In diesem Sinne soll ein gutes Geschenk nicht nur die Konsumvorlieben des Empfängers zufriedenstellen, sondern es sollte eine Verbindung zu ihm herstellen, die eine gewisse Vertrautheit widerspiegelt. Deshalb spielt Achtsamkeit eine Rolle.“

Das Überreichen von Geschenken läuft laut Michael J. Sandel keineswegs immer auf eine irrationale Abweichung von der effizienten Nutzenmaximierung hinaus, weil es bei Geschenken nicht allein um den Nutzen geht. Manche Geschenke sind Ausdruck von Beziehungen, die die eigene Identität ausdrücken, sie herausfordern und neu interpretieren. Denn Freundschaft bedeutet auf jeden Fall mehr, als nur für den anderen nützlich zu sein. Sie bedeutet für Michael J. Sandel auch, an anderen charakterlich zu wachsen und sich selbst besser zu erkennen.

Von Hans Klumbies