Jon Fosse will sich allen Ernstes vom Theater verabschieden

Norwegens berühmtester lebender Schriftsteller ist zweifellos Jon Fosse. Selbstdarstellungsfeiern und Wortexzesse sind ihm dennoch fremd. Jon Fosse ist beim Schreiben eher einer, der bescheiden auftritt und seine scheinbar kargen Sätze ganz genau auf den Punkt bringt. Literaturkritiker bezeichnen ihn als den größten Sprachminimalisten der nördlichen Hemisphäre. In seinen Dramen, die karg an Worten sind, setzt er Pausen und Auslassungen als wichtiges Stilmittel. Seine Romane sind durchzogen von den Grundgefühlen Melancholie und Einsamkeit. Jon Fosse liebt das Schweigen, den Wind, die Nacht und das Meer. In allen seinen Texten spielen sie eine wichtige Rolle. Und immer auch geht es in seinen Werken um das große Ungenannte, um erste und letzte Fragen, um die Liebe und den Tod, mit dem jedes Leben ein Ende findet.

 Jon Fosses Theaterstücke haben einen musikalischen Klang

Die Stücke von des preisgekrönten Dramatikers Jon Fosse liegen in mehr als 40 Übersetzungen vor. Sie werden auf der ganzen Welt aufgeführt, sogar in China, dem Iran und Japan. Jetzt will er sich allerdings allen Ernstes vom Theater verabschieden. Jon Fosse sagt: „Ich habe mich als Theaterautor ausgeschrieben.“ Als Autor wird er aber seiner Fangemeinde erhalten bleiben. Jon Fosse wird weiterhin Romane, Erzählungen und Essays schreiben. Im Januar ist zum Beispiel sein Buch „Kveldsvævd“ erschienen. Es bildet den Abschluss einer Trilogie, zusammen mit den Büchern „Andvake“ und „Olavs drauma“.

Jon Fosse erzählt in den drei Novellen die Beziehungs- und Lebensgeschichte von Alida und Asle. Sein deutscher Übersetzer Schmidt-Henkel beschreibt sie als Geschichten im Halbdämmer: „Ihnen ist eine traumähnliche, die Realität zugleich auflösende und intensivierende Stimmung gemeinsam, wie wir es aus Zuständen der Übermüdung oder Überanstrengung kennen, körperlicher wie seelischer.“ Jon Fosse verfasst seine Theaterstücke in gebrochenen Zeilen ohne Punkt und Komma. Da er sie aus Form, Klang und Rhythmus komponiert, haben sie einen poetischen und musikalischen Klang.

Schreiben ist Jon Fosses Art zu leben

Jon Fosse ist vom Schreiben besessen, ein zum Schreiben Berufener. Er muss schreiben, er kann gar nicht anders. Er erklärt: „Es ist meine Art zu leben. Schreiben ist hören und sehen.“ Der Dramatiker ist ein großer Fan von Peter Handke: „Ich sehe die Schönheit der Stille in seinem Werk.“ Jon Fosse hat 33 Theaterstücke geschrieben, Dramen, in denen namenlose Akteure am Leben, Lieben und Reden scheitern. Alle Stücke sind Variationen des immer Gleichen, alle zum Verwechseln ähnlich. Insgesamt hat er 50 Bühnentexte verfasst, wenn man die Adaptionen und Libretti mitzählt.

Sein erstes Drama hieß „Da kommt noch wer“. Der ganze Kosmos von Jon Fosse ist darin schon angelegt. Mit Psychologie haben seine Stücke allerdings nichts am Hut. In der Dramatik konnte er ausdrücken, was in der Prosa sehr schwierig ist. Jon Fosse erklärt: „Das, was zwischen den Menschen ist, zwischen den Worten, was in den Pausen liegt.“ Der sogenannte Fosse-Sound lässt eine traumdunkle Melodie von der Geworfenheit des Seins erklingen. Lyrisch durchziehen seine Stücke das Nebelherbstliche, das Sehnsuchtsvolle, das qualvoll Banale. Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies