Es gibt nur wenige Dinge, die Menschen so eng mit Erfolg und Misserfolg in Verbindung bringen wie ihren Job. Von dem was sie täglich arbeiten, hängt ganz entscheidend ab, welchen Status sie in der Gesellschaft haben und welche Wertschätzung diese wiederum ihrer Tätigkeit zumessen. Denn die Arbeit bestimmt die Höhe des Gehalts und damit den Lebensstil und das Sozialprestige eines Menschen ganz erheblich. Wer in seinem Arbeitsleben Karriere macht und es zu einem gewissen Wohlstand bringt, hat es in den Augen der Mitmenschen geschafft, da er erfolgreich ist. Wer nicht, gehört zu den gescheiterten Existenzen. Einfache Arbeiten werden von vielen Menschen als wert- und würdelos angesehen. In der Gegenwart ist der Arbeitsalltag vieler Menschen von Wissensarbeit und Mobilität geprägt.
Zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland machen nur noch Dienst nach Vorschrift
Der Arbeitsplatz hat seine klare Abgrenzung vom Wohnort verloren. Schon vor mehr als zehn Jahren erklärte der damalige Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) Jürgen Kocka: „Ein neues Zeitregime entsteht in den Grauzonen zwischen Arbeits- und Freizeit, mit Teilzeit und Gleitzeit, mit neuen Freiheitschancen und Abhängigkeiten.“ Die lebenslange Bindung an einen einzigen Arbeitgeber wird immer seltener. Individualität und Mobilität nehmen dagegen stark zu.
Obwohl heute mehr Chancen zur Selbstverwirklichung in der Arbeit bestehen als früher und die Arbeitnehmerrechte noch sie so groß waren als je zuvor, empfinden viele Menschen ihre Arbeit als Last und nicht als Lust. Sie fühlen sich verunsichert, überfordert, allein gelassen. Das Beratungsunternehmen Gallup hat durch eine Umfrage herausgefunden, dass fast ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland innerlich gekündigt haben und zwei Drittel nur noch Dienst nach Vorschrift machen.
Die Arbeitswelt ist kalt und unpersönlich geworden
Einige der Gründe, warum das so ist, nennt der Verhaltensökonom Marco Nink: „Aus motivierten Leuten werden Verweigerer, wenn ihre Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum ignoriert werden. Man fragt sie nicht nach ihrer Meinung, gibt ihnen weder positives Feedback noch eine konstruktive Rückmeldung zur Arbeitsleistung und interessiert sich nicht für sie als Mensch.“ Dabei sind Anerkennung und Wertschätzung zentrale Bedürfnisse der modernen Angestellten.
Doch dieses Verlangen bleibt auf der Strecke, wenn Mitarbeiter heute hier und morgen dort ihre Arbeit verrichten müssen. In solchen Fällen findet die Kommunikation fast ausschließlich medial statt. Dann geht allerdings das Mitmenschliche verloren, das normalerweise den Menschen vom Roboter oder vom Computer unterscheidet. Es wird kein Mitgefühl mehr gezeigt, kein Lob mehr ausgesprochen, keine Unterstützung angeboten. Die Arbeitswelt ist kalt und unpersönlich geworden. Vielleicht wollen deshalb so viele Menschen am liebsten sofort ihrem Job den Rücken kehren. Quelle: Süddeutsche Zeitung
Von Hans Klumbies