Die Frage nach dem Sinn eines Kindes wird lauter

In Zeiten der Unsicherheit, genauer der unsicheren Zukunft, wird die Frage nach dem Sinn eines Kindes lauter. Peter Trawny ergänzt: „Solche Zeiten können die eines drohendes Krieges oder einer schwierigen Wirtschaftslage sein. Heute behaupten die Kinder selbst, dass ihnen die prognostizierte ökonomische Katastrophe der Erderwärmung die Zukunft raubt.“ Der Sinn des Kindes scheint auf dem Spiel zu stehen. Steht er immer auf dem Spiel? Schon an der Formulierung wird deutlich, dass das Thema schwierig ist. Aber eine Philosophie der Liebe kommt an ihm nicht vorbei. Warum? Weil Liebe Fruchtbarkeit ist. Das ist eine Aussage, die man begründen muss. Sie wird – Peter Trawny wagt das zu behaupten –, was das Kind betrifft, reserviert betrachtet werden. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Liebe ist Fruchtbarkeit

Das entspricht der Frage nach der Freiheit des modernen Individuums. Die moderne Liebesbeziehung hat keine Verbindung mehr zu dem, was man Fortpflanzung oder gar Reproduktion nennt. Niemand denkt im Kontext der Partnerwahl von vornherein daran, ob er ein Kind mit ihr oder ihm zeugen und erziehen will. Für diese Einstellung war die Etablierung der Antibabypille in den 60er und 70er Jahren die notwendige Voraussetzung. Mit ihr wurden die Individuen frei davon, in der erotischen Aktivität Schwangerschaften zu riskieren.

Dass das in der Liberalisierung der Sexualität ein großer Schritt war, liegt für Peter Trawny außer Frage. Doch die Verhütung ist und bleibt in ihrer Praxis eine Erinnerung an die Fruchtbarkeit. Die Menschen verhüten, weil Liebe Fruchtbarkeit ist. Das weiß auch Diotima, die in Platons „Symposion“ Sokrates und überhaupt durch ihn alle anderen Hörer bis heute über die Liebesdinge berät. Lieben sei auch Entstehen und Zeugen im Schönen, und zwar sowohl dem Körper als auch der Seele nach.

Das Denken muss bei Platon stets erigieren

Diotima bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt, dass die Gemeinschaft von Mann und Frau das Zeugen und Gebären im Schönen sei. Das Hässliche, das Zerstrittene, verhindert die Zeugung. Es ist unfruchtbar. Diotima beschreibt das einmal ganz körperlich. Kommen sie dem Schönen nahe, so breitet sich bei den Zeugungsfähigen Euphorie aus, er und sie spüren die Fruchtbarkeit. Nähern sie sich aber dem Hässlichen, werden die Menschen finster und traurig und verschrumpeln.

So kündigt sich für Diotima zuerst das Kind an. Es ist die erste Frucht: welch eine herrliche. Doch Diotima wäre kein Geschöpf Platons, wenn sie bei dieser Herrlichkeit stehen bliebe. Das Denken kann nicht am Boden bleiben, es muss bei Platon stets erigieren. Also erhebt es sich von neuem … Diotima stellt fest, dass die Zeugung und Geburt eines Kindes erlauben, an der Unsterblichkeit des Menschen teilzuhaben. Damit meint sie, dass die Geburt die Folge der Generationen bestätigt. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies