20 Impulse für 2022

Das Philosophie Magazin hat in seiner Sonderausgabe „20 Impulse für 2022“ die zwanzig besten Essays zu aktuellen Fragen zusammengestellt. In den ausgewählten Texten geht es nicht nur um die Analyse des gesellschaftlichen Status quo. Sondern es werden Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, wie man dem Klimawandel begegnen kann, die Arbeitswelt besser gestalten oder im alltäglichen Umgang mit den Mitmenschen von anderen Weltregionen lernen kann. Schließlich ist die Zukunft das, was ein Mensch daraus macht. Chefredakteur Nils Markwardt zitiert in seinem Editorial hoffnungsvoll den Dichter Friedrich Hölderlin, der einst sprach: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Gegliedert ist die Sonderausgabe in die Rubriken „Der Kampf um Identität“, „Apocalypse soon?“, „Von anderen lernen“, „Lohn und Brot“ und „Leben im Neuland“.

Die Politik pampert vor allem die Alten

Die Philosophin Amia Srinivasan erläutert in ihrem Beitrag, warum man das Streben nach Sicherheit als politisches Problem ernst nehmen muss, es jedoch aus kontraproduktive Formen der Sicherheit gibt. Zum Beispiel erfahren Frauen Gewalt am ehesten zu Hause durch ihre (Ex-)Partner. Der Entzug von Sicherheit bedeutet nicht nur, Formen physischer oder psychischer Schädigung ausgesetzt zu sein. Amia Srinivasan betont: „Er bedeutet auch die Erosion unseres Sinns für uns selbst als Handelnde in der Welt.“

Der ehemalige Ethikratsvorsitzende Peter Dabrock kritisiert in seinem Essay, dass die Politik, trotz aller Nachhaltigkeitsrhetorik, vor allem immer wieder die Alten pampert. Denn diese entscheiden letztlich die Wahlen. Doch damit unterminiert sie nicht nur die Solidarität der Generationen, sondern ignoriert auch 2000 Jahre Ethikgeschichte. Ethik zielt dabei nicht auf Wahrheit, sondern auf Angemessenheit. Den nachrückenden Generationen Zivilcourage verlangt keine außergewöhnlichen Fähigkeitenmit Verantwortung und Hoffnung zu begegnen, stellt die heute für morgen gebotene Solidarität dar.

Die Welt liegt hinter dem Bildschirm

Hohe Einkommen und akademische Abschlüsse gehen oft mit großem sozialem Ansehen einher. Weniger formal gebildete Mensch mit schlecht bezahlten Jobs schätzt die Gesellschaft meist gering. Der Philosoph Michael J. Sandel sieht darin eine der größten Gefahren der Gegenwart und plädiert für eine neue Sicht auf die Würde der Arbeit. Dabei geht es jedoch nicht nur um Geld. Es geht vor allem um Respekt. Denn eine politische Ökonomie, die sich nur mit der Größe und der Verteilung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) befasst, untergräbt die Würde der Arbeit und bringt ein verarmtes zivilgesellschaftliches Leben mit sich.

Der Philosoph Richard Kearney fordert die Menschen auf, die wachsende Kluft zwischen virtueller und körperlicher Erfahrung zu überbrücken. In der vom Digitalen dominierten Kultur nimmt der Sehsinn die höchste Stellung ein. Der Berührung dagegen kommt dagegen nur eine nachrangige Bedeutung zu. Aristoteles konnte sich mit seiner These, dass der Tastsinn der intelligenteste Sinn sei, schon in der Antike nicht durchsetzen. Richard Kearney schreibt: „Die Welt liegt uns nicht zu Füßen, sondern hinter dem Bildschirm. Das Spektakel hat alle Sinne geschluckt.“

Von Hans Klumbies