In einer idealen Demokratie sind alle gleich

In der öffentlichen Debatte machen sich Bedenken in Bezug auf Ungleichheit oder Gleichheit zumeist an einer Reihe sozialer und ökonomischer Fragen fest. In einer idealen Demokratie besteht die Bevölkerung aus freien und gleichen Bürgern. Deren Gleichheit muss zuallererst als eine Frage sowohl von politischer Gleichheit in Bezug auf die private Autonomie konstituierenden Rechte verstanden werden. Denn diese beiden Rechtsinstitute sind noch in weiteren Hinsichten gleichursprünglich. Danielle Allen stellt fest: „Das Vereinigungsrecht ist nämlich nicht bloß ein auf private Autonomie bezogenes Recht, das zu den heiligen Rechten der Moderne gehört. Im Gegenteil: Seine ersten historischen Auftritte zeigen, dass es untrennbar mit Bemühungen verknüpft ist, die Rechte öffentlicher Autonomie zu gewährleisten.“ Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

In China ist die Vereinigungsrecht stark beschränkt

In England versammelten sich im 17. Jahrhundert Andersdenkende. Nicht bloß, um religiöse Riten zu feiern, sondern auch um die Autorität des Monarchen ihre Legitimität abzusprechen. Dass sie Anspruch auf das Recht, sich zu vereinigen, erhoben, sollte nicht nur ihre Gedankenfreiheit schützen, sondern auch ihre politische Macht wahren. In der Bill of Rights der US-Verfassung war das Vereinigungsrecht eng mit dem Recht verknüpft, die Obrigkeit zum politischen Kurswechsel aufzufordern.

Heute erlegt die chinesische Regierung der Vereinigungsfreiheit große Beschränkungen auf. Erstes möchte sie damit die Gewissensfreiheit einschränken. Zweitens die Wahrscheinlichkeit verringern, dass sich eine politische Solidarität formiert, die in der Lage ist, ihre Autorität in Frage zu stellen. Das der Autonomie genügende Vereinigungsrecht hat nicht nur intrinsischen Wert, als es zur negativen Freiheit beiträgt. Sondern es stellt auch eine Komponente von positiver Freiheit dar.

Menschen besitzen die Fähigkeit zur Autonomie

Wenn Bürger über politische Gleichheit verfügen, kommen sie in den Genuss des intrinsischen als auch des instrumentellen Werts von Demokratie. Aber Gleichheit ist für Danielle Allen ein großes Wort. Und es dürfte sich unmittelbar die Frage stellen, ob sich der Sinn, in dem die Bürger in einer idealen Demokratie frei und gleich sind, auf den Begriff „politischer“ Gleichheit beschränkt. In welchem Verhältnis stehen moralische, soziale und ökonomische Gleichheit nun genau zur zentralen politischen Gleichheit? Und worin besteht überhaupt der Gehalt von politischer Gleichheit?

Die moralische Gleichheit der Menschen bildet die Grundlage dafür, dass man Demokratie als sowohl intrinsisches als auch instrumentelles Gut anerkennt. Menschen besitzen im Allgmeinen als Gattungsmerkmal die Fähigkeit zur Autonomie. Nicht bloß insofern sie ihre eigene Lebensweise wählen. Sondern auch insofern sie durch politische Teilhabe die Aspekte des Lebens mitgestalten. Da diese von allen zwangsläufig geteilt werden, ist Demokratie für sie für etwa Gutes. Quelle: „Politische Gleichheit“ von Danielle Allen

Von Hans Klumbies