Den wesentlichsten Grund, warum er viel im Dschungel unterwegs ist, beschreibt der Virologe Nathan Wolfe wie folgt: „Da draußen leben endlos viele unbekannte Viren. Sie bedrohen die Menschheit stärker als die heftigsten Vulkanausbrüche, Wirbelstürme oder Erdbeben, die wir uns vorstellen können.“ Seiner Meinung nach ist es ein großer Fehler, dass Infektionskrankheiten vor allem in der westlichen Welt überwacht werden, denn die Killerviren kommen tatsächlich aus der Wildnis. Nathan Wolfe arbeitet vor allem deshalb im Dschungel, weil er die Viren möglichst in dem Moment erkennen möchte, in dem sie auf den Menschen überspringen. Der Wissenschaftler sagt: „Ich möchte sie entdecken, bevor sie uns Menschen finden. Dazu muss man sie gut beobachten.“ Der Virologe Nathan Wolfe hat im Jahr 2007 die Global Viral Forecasting Initiative gegründet, mit der er versucht, neuartige Infektionskrankheiten aufzuspüren. Sein neues Buch „Virus – Wiederkehr der Seuchen“ ist im Rowohlt-Verlag erschienen.
Rund 60 Prozent der Infektionskrankheiten gehen von wilden Tieren aus
Nathan Wolfe und seine Mitstreiter spüren die Viren durch ihre Gene auf. Dabei wissen sie ganz genau, wo sie suchen müssen. Der Virologe erklärt: „Von den 335 neuen Infektionskrankheiten, die zwischen 1940 und 2004 aufgetreten sind, gingen 60 Prozent von Tieren aus, meistens von wilden. Aids kam von Schimpansen, Sars wohl von Fledermäusen und sogar Malaria scheint ursprünglich eine Affenkrankheit gewesen zu sein.“ Einige dieser Erreger töten die Menschen.
Der Virologe Nathan Wolfe vertritt die These, dass die Viren in Zukunft sogar noch mehr in der Lage sein werden, die Menschen krank zu machen und zu töten – ja sogar die Wirtschaft ganzer Regionen auszulöschen. Verantwortlich dafür sind zum Teil der westliche Lebensstil mit seinem internationalen Handel und der weltweite Reisetourismus. Nathan Wolfe fordert deshalb intelligente Strategien gegen die Bedrohung der Menschheit durch Viren.
Die Gefahren der Vogelgrippe werden dramatisch unterschätzt
Nathan Wolfe ist fasziniert von der Winzigkeit der Viren, deren Erbgut im Vergleich zu demjenigen des Menschen einfach nur ein Witz ist. Der Virologe sagt: „Und doch sind sie soviel mächtiger als wir. Mein Traum ist es deshalb, neue Seuchen erst gar nicht ausbrechen zu lassen.“ Der Wissenschaftler lässt das verharmlosende Argument nicht gelten, dass zum Beispiel die Vogelgrippe immer noch eine Hühnerkrankheit ist und nur ausnahmsweise einmal einen Menschen befällt.
Das Virus H5N1 brodelt laut Nathan Wolfe in den Hühnern. Bei mehr als 16 Milliarden Hühnern auf der Welt ein gewaltiges Gefahrenpotential. Der Virologe erklärt: „Wenn H5N1 plötzlich unter Menschen umginge, wäre es verheerend.“ Bei H5N1 gehen Nathan Wolfe und sein Team von einer Todesrate von 50 Prozent der vom Virus Befallenen aus. Er stellt fest: „Das ist nicht mehr so weit weg von Ebola.“
Von Hans Klumbies