Seneca verteidigt die Dreiteilung der Philosophie

Die Epikureer begnügten sich gemäß Seneca mit zwei Unterteilungen der Philosophie: Naturlehre und Sittenlehre. Von der Dialektik wollten sie nichts wissen. Doch als die Auseinandersetzung mit der Realität sie zwang, Zweideutigkeiten auszuschließen und die verborgenen Ursachen von Fehlern, die der Wahrheit so sehr ähneln, aufzudecken, nahmen auch sie die Dialektik in ihre Philosophie auf, wenn auch unter anderem Namen. Seneca schreibt: „Sie wählten dafür die Bezeichnung „Von Urteil und Regel“, betrachteten aber diesen Teil nur als Anhang zur Naturlehre.“ Die Cyrenaiker schieden Naturlehre selbst Dialektik aus und begnügten sich mit der Sittenlehre. Doch auch sie führten das Verworfene auf andere Weise wieder ein, denn bei ihrer fünffachen Untereilung der Sittenlehre beschäftigt sich der erste Teil mit dem, was der Mensch meiden und was er anstreben soll, der zweite mit den Affekten, der dritte mit den Handlungen, der vierte mit den Ursachen und der fünfte mit den Beweisarten.

Seneca erkennt im Weisen den Erzieher der Menschheit

Aristo von Chios behauptet, Naturlehre und Dialektik seinen nicht nur überflüssig, sondern stünden sogar miteinander in Widerspruch. Selbst die Sittenlehre schränkt er stark ein. Verhaltensregeln sind seiner Meinung nach die Angelegenheit eines Erziehers, nicht die eines Philosophen. Seneca dagegen sieht im Weisen nichts anderes als den Erzieher des Menschengeschlechts.

Seneca plädiert dafür, die Dreiteilung der Philosophie beizubehalten und die Sittenlehre wiederum in drei Teile zu untergliedern. Der erste Teil befasst sich mit Betrachtungen darüber, wie jedes einzelne Tätigkeitsfeld abzustecken und wie Wert und Würde der Dinge einzuschätzen sind. Der zweite Teil handelt von den Triebkräften, der dritte von den Handlungen.

Die Gliederung der philosophischen Dialektik

Denn gemäß Seneca muss der Mensch zuerst den Wert und das Wesen einer Sache beurteilen können, danach muss er sein Verlangen mäßigen und ordnen und am Ende müssen bei ihm Verlangen und Handlungen so übereinstimmen, dass er in allen Punkten mit sich selbst im Einklang ist. Seneca schreibt: „Eine Störung in einem der drei Teilbereiche zieht auch die anderen beiden in Mitleidenschaft.“ Den naturphilosophischen Teil zerlegt Seneca in zwei Unterabteilungen: in die Lehre von den Körpern und die Lehre von den unkörperlichen Dingen.

Als Drittes gliedert Seneca noch die philosophische Dialektik. Er erläutert: „Jede Rede ist entweder fortlaufende Rede oder auf Antwortende und Fragende verteilte Wechselrede. Man kam überein, letztere Dialektik, erstere Rhetorik zu nennen.“ Die Rhetorik beschäftigt sich mit den Wörtern, ihrem Sinn und ihrer Anordnung. Die Dialektik wiederum zerfällt in zwei Teile, Wörter und Wortbedeutungen, das meint Sachen, über die man spricht, und die Wörter, die man dabei benutzt.

Von Hans Klumbies