„Die Silhouette eines Mannes zeichnet sich deutlich vor den Bildschirmen ab. Wie es im Halbdunklen scheint, hat er seinen Kopf leicht in den Nacken gelegt.“ So beginnt der spannende Roman „Teil der Lösung“ von Ulrich Peltzer. Jochen Jung von der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ behauptet von diesem Beginn, dass so große Romane anfangen. Über diese Aussage kann man sicher geteilter Meinung sein. Übereinstimmung dürfte dagegen beim Gütekriterium herrschen, dass Marcel Reich-Ranicki immer wieder anführte, wenn er einen Roman zu beurteilen hatte. Sein oberstes Gebot war, der Autor dürfe den Leser nicht langweilen.
Ein Journalist träumt von der Mega-Story
Um es vorweg zu sagen, Ulrich Peltzer langweilt seine Leser nicht. Er zieht in vielmehr durch seine genaue Sprache und sezierartige Beobachtungsgabe mitten hinein ins Geschehen. Es stimmt, was ein Kritiker in der Frauenzeitschrift „Brigitte“ festgestellt hat: „Peltzer gelingt es, den Geist der Gegenwart präzise einzufangen.“ Zu Beginn des Buchs ist es eine genaue Beschreibung Berlins im Hochsommer 2003, am Ende des Romans fängt er die Stimmung in den Straßen und Boulevards von Paris ein.
Die Hauptfigur des Romans ist Christian Eich, ein Journalist, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und von der „Mega-Story“ träumt, die ihn ins Rampenlicht der internationalen Presse katapultieren soll. Um dies zu erreichen, sucht er Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern der „Roten Brigaden“, die sich inzwischen bürgerliche Existenzen aufgebaut haben.
Die Studentin Nele kämpft gegen den Überwachungsstaat
Die „zweite Hauptfigur“ ist zu Beginn des Romans die Stadt Berlin, durch die sich Eich treiben lässt. In einem Klub trifft er auf Nele, die ihm bei ihrer ersten Begegnung ihren Ellbogen ins Kreuz rammt. Ein nicht alltäglicher Beginn einer Liebesgeschichte, die bis zum Ende des Buchs andauert. Der zweite Handlungsstrang, der dem Roman Struktur und Halt verleiht, handelt vom allgegenwärtigen Überwachungsstaat, der den Freiraum seiner Bürger immer mehr einschränkt.
Die Studentin Nele will sich nicht kontrollieren lassen und träumt von einem Glücklichsein, das nicht mehr an Dinge gebunden ist. Sie will nicht wie eine Laborratte auf Zumutungen des Staates reagieren. Deshalb engagiert sie sich auch in einer autonomen Gruppe, die den Überwachungsstaat mit der Guerillataktik der kleinen Nadelstiche bekämpft. Für Nele ist heute die einzige Politik mit Aussicht auf Erfolg die, die keine Angst hat vor der Flucht und ihren Fluchtlinien folgt.
Das Interview mit einem Rotbrigadisten
Am Ende des Romans fährt Nele gemeinsam mit Christian nach Paris, der dort ein Interview mit einem ehemaligen Mitglied der roten Brigaden führt. Die Zusammenkunft findet statt, aber es bleibt offen, mit wem und ob die Reportage jemals veröffentlicht wird. Das einzige was vorerst noch bestehen bleibt, ist die Liebe zwischen Christian und Nele, auch wenn sie schon erste Auflösungserscheinungen zeigt.
Vorangetrieben wird die Geschichte durch das Tempo in Ulrich Peltzers Sprache. Es gibt kein Innehalten, kein Ausruhen, keine meditativen Elemente, die der Story die Spannung rauben würden, die bis zum letzten Satz erhalten bleibt: „Nele wischte sich die Tränen von den Wagen und atmete laut ein und aus, fast ein Stöhnen. Ach Christian. Dann ging sie hinein.“
Teil der Lösung
Ulrich Peltzer
Verlag: Ammann
Gebundene Ausgabe: 455 Seiten, Auflage: August 2007
ISBN: 978-3-250-60113-5, 19,90 Euro
Von Hans Klumbies