Tariq Ramadan: "Der Islam ist eine deutsche Religion"

Für Tariq Ramadan, Professor für zeitgenössischen Islam am St. Antony`s College in Oxford, sind die westlichen Gesellschaften durch die Globalisierung verunsichert. Ein Grund dafür sind die Einwanderungsströme, durch die das Fremde in Europa sichtbar wird. Wenn in Deutschland gegen die angebliche Islamisierung der Städte protestiert wird, geht es für den Wissenschaftler um die Sichtbarkeit einer fremden Religion, die dazugehören will. Das ist eine neue Erscheinung. Denn solange das Fremde nicht zu einer Gesellschaft gehört, können die Menschen leichter damit leben. Tariq Ramadan ist fest davon überzeugt, dass Gewalt im Namen der Religion die Islamdebatte vergiftet.

Der Islam ist ein Teil der Geschichte und der Gegenwart Europas

Tariq Ramadan unterstützt die Auffassung des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, der gesagt hat, dass der Islam zu Deutschland gehört. Der islamische Intellektuelle erklärt: „Wenn es Millionen von Muslimen in Deutschland gibt, ist der Islam natürlich auch eine deutsche Religion. Der Islam ist eine europäische Religion, er ist ein Teil von Europas Geschichte und Gegenwart.“ Tariq Ramadan schwört die Muslime darauf ein, Bürger in dem Land zu werden, in das sie ausgewandert sind.

Dazu gehört es die Gesetze zu achten und die Sprache der neuen Heimat zu beherrschen. Tariq Ramadan fordert noch mehr von den Muslimen: „Ich muss loyal zu meinem Land stehen, weil ich das Beste für es will. Nur so wird die Wahrnehmung eines unlösbaren Konflikts zwischen Muslimsein und Europäertum verschwinden.“ Der Islamexperte gibt allerdings zu, dass es unter den Muslimen zwei Problemgruppen gibt: Die kleine Minderheit der Ultrakonservativen, die so genannten Salafisten, und schließlich diejenigen die in der Religion eine Rechtfertigung für Gewalt sehen.

Die Muslime müssen eine Philosophie des Pluralismus entwickeln

Tariq Ramadan rät den Muslimen: „Die Muslime müssen aufhören, die westlichen Gesellschaften für alle Übel verantwortlich zu machen.“ Für ihn gibt es keinen Glauben ohne Entwicklung. Die Muslime müssen sich in den westlichen Gesellschaften, in denen sie leben, einmischen und einen Beitrag für ihre neue Heimat leisten. Er fordert: „Was immer dein Land bewegt, ist als deutscher Muslim deine Sache. Bildungsfragen, Arbeitsmarktpolitik, Literatur.“

Für Tariq Ramadan gibt es keine Alternative dazu, dass sich die Muslime fragen müssen, wie sie in einer offenen Welt leben wollen. Sie müssen eine Philosophie des Pluralismus entwickeln. Ebenso plädiert der Islamkenner dafür, die Rolle der Frau im Islam zu stärken. Er fordert: „Wir brauchen einen islamischen Diskurs über die weibliche Autonomie. Das müssen die Frauen selber leisten. Musliminnen müssen selber mit den heiligen Texten umgehen, ohne männliche Vermittler. Frauen müssen in den Moscheen eine Rolle spiele, so wie sie die gleiche Chance auf dem Jobmarkt verdienen und den gleichen Lohn für gleiche Arbeit.“

Von Hans Klumbies