Sparbücher bringen in Deutschland kaum Zinsen

Kindern wird seit Jahrzehnten der Wert des Sparens mit dem Sparbuch eingetrichtert, durch den Weltspartag wurde es zum Kulturdenkmal erhoben. Nur bringen die Sparbücher den Sparern in Deutschland kaum Zinsen. Sie erlauben den Banken dadurch, Firmen günstige Kredite zu geben. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft, kritisiert: „Wir machen unsere Unternehmen fit. Die Rendite überlassen wir anderen.“ Die deutschen Sparer denken, sie tun etwas Gutes. Und das tun sie auch: für Banken und Versicherer, die den Kunden minderwertige Produkte aufdrängen und damit viel verdienen. Alexander Hagelüken fügt hinzu: „Nur sich selbst tun die Sparer damit nichts Gutes. Sie haben am Ende viel zu wenig übrig.“ Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

Über längere Zeiträume sind Aktien anderen Anlageformen überlegen

Dabei halten sich die deutschen Sparer für klug, weil sie ihr Geld besonders sicher anlegen. Sicherheit ist das Zauberwort, mit dem Banken und Versicherer den Deutschen Finanzprodukte schmackhaft machen, die wenig abwerfen. Sicherheit verfängt in einer Nation, der die Geldentwertungen 1923 und 1948 ins kollektive Gedächtnis eingebrannt sind, obwohl sie kaum ein heutiger Zeitgenosse erlebt hat. Aber die Sicherheit ist im Grunde genommen nichts wert, wenn die Inflation auch noch den Großteil des mickrigen Ertrags auffrisst.

Alexander Hagelüken erläutert: „Bei Aktien muss der Anleger Schwankungen aushalten, ja, doch das zahlt sich nach ein paar Jahren meistens aus. Die Überlegenheit von Aktien ist über lange Zeiträume nachgewiesen.“ Die Ökonomen Rajnish Mehra und Edward J. Prescott zeigten, dass amerikanische Aktien am Ende des 19. Jahrhunderts nach Inflation pro Jahr durchschnittlich satte sieben Prozent abwarfen. Kurzfristige Staatspapiere brachten unter ein Prozent. Aktien waren also mehr als hundert Jahre lang deutlich überlegen.

Die meisten Deutschen können keine Ersparnisse bilden

Und sie waren kaum unsicherer als die Staatspapiere, deren Kurse ebenfalls schwankten. Rajnish Mehra und Edward J. Prescott folgern: „Die Aktienscheu von Anlegern ist ein totales Rätsel.“ Die Überlegenheit der Aktien liegt ja auch in der Logik des Kapitalismus. Aktionäre, und nur sie, partizipieren am Herzstück der Volkswirtschaft, den Firmen und deren Gewinnen. Obwohl sich die Deutschen zu Recht als Weltmeister im Sparen fühlen – sie sparen weitaus mehr als andere Nationen –, kommt so wenig dabei heraus.

Alexander Hagelüken erklärt: „In der Bundesrepublik treffen zwei Faktoren aufeinander, die die Ungleichheit der Vermögen verschärfen. Zum einen wirkt die bestehende Ungleichverteilung fatal, die weitaus größer ist als in den meisten Industriestaaten.“ Die meisten Deutschen haben zu wenig, um echte Ersparnisse zu bilden. Sie können sich zum Beispiel keine Immobilie kaufen. Und zum anderen legt die große Masse das, was sie hat, falsch an. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Notenbanken hat die Hälfte der deutschen Sparer entweder nur Schulden oder ein Vermögen von ein paar tausend bis höchstens 50.000 Euro.

Von Hans Klumbies