Künstliche Intelligenz hat nichts mit Vernunft zu tun

Richard David Precht fragt sich in seinem neuen Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ was die Künstliche Intelligenz mit dem persönlichen Selbst- und Menschenbild macht. Es geht dabei um die Frage eines zukünftigen Menschseins und Selbstverwirklichung in einer immer technisierteren Welt. In Zukunft greift die Automation selbsttätig in das menschliche Leben ein. Richard David Precht stellt und beantwortet folgende Fragen: „Was bedeutet das für uns? Welcher Sinn wird dadurch gestiftet und welcher genommen? Und vor allem: Welche Grenzen müssen wir ziehen, damit unsere Zukunft tatsächlich human wird?“ Die Künstliche Intelligenz (KI) hat für Richard David Precht zwar einiges mit Intelligenz zu tun, aber kaum etwas mit Verstand und nicht entfernt etwas mit Vernunft. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Nur der Mensch kann sich und die Welt reflektieren

Die Künstliche Intelligenz sagt niemandem, was zu tun ist, und digitale Geräte schützen nicht vor existenziellen Lebensrisiken. Menschen, so heißt es in diesem Buch, sind nicht das „Andere der Natur“, sondern das „Andere der Künstlichen Intelligenz“. Die menschliche Intelligenz ist durchzogen von Emotionalität und Intuition, Spontanität und Assoziation. Der gesunde Menschenverstand ist kein Synonym für Rationalität, sondern im gleichen Maße Einfühlung in die Situation unter dem Einfluss von Werten.

Viele IT-Experten in Deutschland halten den Begriff „Künstliche Intelligenz“ nur für ein Wort aus dem Marketing. Im Gegensatz zu Computern denken Menschen nicht regelbasiert. Der Geist des Menschen operiert nicht in einem programmierten System. Erst Gefühle, Gedanken, Wörter und Sätze ziehen ihn täglich aus dem Nichts. Gerade das Nicht-Programmierte erlaubt es Menschen, sich und die Welt zu reflektieren. Computer dagegen sind unfähig, das eigene Wissen zu wissen.

Der Sozialisierung des Digitalen gehört die Zukunft

Das menschliche Leben und Zusammenleben bestimmt in vielen Bereichen ddie Kultur. Technische Systeme können das nicht nachvollziehen beziehungsweise abbilden. Die Programmierer von KI und all diejenigen, die sie einsetzen wollen, haben hier viel zu lernen. Die Geistesgegenwart zu behalten bedeutet, die menschliche Kognition nicht einfach auszulagern. Der Autor Jürgen Geuter schreibt: „Genauso wie die Digitalisierung versucht, die Welt der Software zugänglich zu machen, muss jetzt die Sozialisierung des Digitalen vorangetrieben werden.“ Er meint damit die Gestaltung des digitalen Lebens als kommunikatives, humanes Netzwerk zum Wohle der Menschen.

Die Künstliche Intelligenz zwingt die Menschen dazu, ihr Selbstverständnis zu verändern und genauer zu sehen, was ihre wahren Bedürfnisse sind. Deshalb darf die Menschheit ihre Zukunft nicht dem Können von Programmieren und dem Willen ihrer Geldgeber überlassen. Die Lektion der KI besteht nicht darin, rational zu werden wie Maschinen, sondern zu erkennen, was Rationalität nicht leisten kann. Das Versprechen vom Überwinden des Menschen durch Superintelligenz und Raumfahrt ist für Richard David Precht nicht entfernt so aufregend wie das verlockende Ziel einer intakten Erde.

Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens
Richard David Precht
Verlag: Goldmann
Gebundene Ausgabe: 251 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-442-31561-7, 20,00 Euro

Von Hans Klumbies

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