Der politische Islam ist unfähig zur Demokratie

Als im Jahr 2010 der Arabische Frühling ausbrach, keimte die Hoffnung nach einer demokratischen arabischen Welt auf. Heute ist von dieser Hoffnung kaum etwas übriggeblieben. Im Gegenteil, viele Länder im Nahen Osten sind in Krieg und Konflikte verfallen. Auf die Frage nach den Gründen antwortet der Islam-Experte und Psychologe Ahmad Mansour wie folgt: „Weil bei den dort lebenden Menschen noch kein Demokratieverständnis vorhanden ist. Sie haben die Erfahrung damit nicht. Der Mehrheit der Leute lebt in patriarchalischen Strukturen. Sie leben in Familien, in denen keine demokratischen Strukturen herrschen, in denen individuelle Bedürfnisse keine große Rolle spielen.“ Und vor allem leben sie in einer religiösen Gesellschaft, in der Demokratie eine ganz andere Bedeutung hat. Demokratie, wie wir jetzt in der Türkei sehen, bedeutet nicht nur freie Wahlen, sondern es gehört viel mehr dazu.

Die arabische Welt braucht eine Reformation ihrer Religion

Dennoch gingen Hunderttausende auf die Straßen, um gegen autoritär herrschende Regimes zu demonstrieren. Ahmad Mansour rät, nicht zu vergessen, dass in vielen Ländern, in denen der Arabische Frühling angefangen hat, die Menschen allein gelassen worden sind. Seiner Meinung steht der Islam der Demokratie im Weg. Denn wenn in jeder Familie ein kleiner Diktator herrscht, der die Selbstentfaltung seiner Kinder nicht ermöglicht, der seine Frau unterdrückt, dann kann man nicht erwarten, dass sich ein Demokratieverständnis entwickelt.

Und das Religionsverständnis, das manche Menschen haben, ist definitiv nicht demokratisch. Gottes Bild ist sehr nah an dem Vaterbild, das funktioniert mit Sünden und Bestrafung. Ahmad Mansour fügt hinzu: „Da wird die Meinungsfreiheit unterdrückt, kritisches Denken wird unterdrückt. Die Religion wird als ein politisches System verstanden, da kann man nicht erwarten, dass daraus eine Demokratie entstehen wird.“ Die Menschen, die dort leben, müssen es in die eigene Hand nehmen, um in der arabischen Welt auszubrechen. Vor allem brauchen sie eine Reformation ihrer Religion.

Die Türkei ist auf dem Weg in eine Diktatur

Die Menschen in der arabischen Welt brauchen auch Stimmen, die aufklären, die Erziehungsmethoden hinterfragen. Jedoch geht die Tendenz in eine völlig andere Richtung. Der politische Islam gewinnt mehr und mehr an Macht. Für die nächsten Jahre ist Ahmad Mansour nicht positiv gestimmt. Aktuell ist die Türkei auf dem Weg in eine Diktatur. Dennoch stehen so viele Menschen hinter Präsident Recep Tayyip Erdogan. Denn er bestätigt das, was die Menschen denken. Er stellt Opfer- und Feindbilder auf und beruft sich auf den Islam. Das ist das, was bei den einfachen Menschen ankommt.

Man darf auch nicht vergessen, dass Recep Tayyip Erdogan in Deutschland jahrelang durch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) und andere Institutionen versucht hat, die Bedürfnisse seine Landsleute zu bedienen. Deshalb wird er jetzt als der große Sultan angesehen. Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass der politische Islam unfähig zur Demokratie ist. Recep Tayyip Erdogan hat zwar in der Türkei die Wahlen gewonnen. Aber zu einer Demokratie gehören nicht nur freie Wahlen, sondern auch die Meinungsfreiheit und die Trennung zwischen Justiz und Regierung. Quelle: Abendzeitung

Von Hans Klumbies