Mit Thrillern wie „Memories of Murder“, „The Host“ und „Mother“ hat sich Bong Joon-ho eine Ruf als einer der aufregendsten Regisseure des modernen Kinos erarbeitet. Für „Parasite“, eine Familiengeschichte zwischen Komödie, Drama und Horrorthriller, wurde er im Mai in Cannes mit der Goldenen Palme für den besten Film geehrt. Das Werk geht für Südkorea ins Rennen um den Oscar. In „Parasite“ erzählt Bong Joon-ho von einer armen Arbeiterfamilie, die sich als Angestellte bei einer reichen Familie in einem schönen Haus einnistet und immer verbrecherischer deren Lebensstil ausbeutet. Die traurige Botschaft lautet: Mit legalen Mitteln hätten sie ewig arbeiten müssen, um sich dieses Leben leisten zu können. Bong Joon-ho hat nachgerechnet: „Also um genau zu sein, wären es 547 Jahre gewesen.“ Bong Joon-ho wurde 1969 in der südkoreanischen Stadt Daegu geboren und studierte Regie an der Filmhochschule in Seoul. Er ist einer der erfolgreichsten Regisseure seines Landes.
Die Realität macht Bong Joon-ho zum Pessimisten
Nachdem Bong Joon-ho mit „Okja“ und „Snowpiercer“ zwei Filme in fantastischen Welten gedreht hatte, wollte er „Parasite“ an einem realen Ort spielen lassen. Da er in Südkorea die Verhältnisse am besten kennt, ist das auch der Schauplatz des Films. Aber bis auf ein paar Details könnte er vermutlich überall auf der Welt spielen, die Misere wäre dieselbe. Der Film schwankt trotz des traurigen Themas elegant zwischen Tragödie und Komödie. Auf die Frage, ob er sich eher als Pessimisten oder Optimisten bezeichnet, was gesellschaftliche Entwicklungen angeht, gibt Bong Joon-ho folgende Antwort.
„Wenn ich von fantastischen Welten erzähle, wie in „Snowpiercer“, kann ich mir immer noch ein paar optimistische Elemente ausdenken, weil es sich ja um eine Fantasiewelt handelt. Wenn ich wie jetzt von der Realität erzähle, werde ich aber blitzschnell zum Pessimisten. Als Regisseur ist man heutzutage leider nicht für Hoffnung zuständig.“ Die Protagonisten in den Filmen von Bong Joon-ho sind oft miteinander verwandt, und diese Verwandtschaft führt zu zusätzlichen Verwicklungen.
Bong Joon-ho verehrt den deutschen Regisseur Werner Herzog
Bong Joon-ho will dabei keine perfekte Familie sehen, sondern Familienverbände, deren Zusammenhalt sich aufgrund einer Extremsituation verändert. Mangel, Lust und Gier beeinflussen Menschen und Familien, und das ist laut Bong Joon-ho ein gutes Thema, weshalb sich viele Regisseure damit beschäftigen: „Besonders toll konnte das einer aus Ihrem Land, den ich sehr bewundere, Rainer Werner Fassbinder.“ Sein absoluter Favorit ist allerdings Werner Herzog, dessen Filme eine einzigartige Kraft haben. Als Student war Bong Joon-ho verrückt danach.
Die Geschichten von Bong Joon-ho beginnen immer so harmlos, und dann folgt in der Regel ein fieses Inferno. Der Regisseur erklärt: „Das macht mir am meisten Spaß, die Zuschauer mit Figuren zu konfrontieren, die ganz normal wirken, mit einer Story, die auf den ersten Blick nicht spektakulär erscheint. Und dann schleichen sich langsam diese kleine Irritationen ein, erst kaum merklich, dann immer stärker, bis es immer verrückter und blutiger wird.“ Um die Zuschauer zu packen, muss man als Regisseur im Kino immer etwas Unberechenbares machen. Dazu zählt auch das Springen zwischen den Genres, was als Komödie beginnt, kann in einem Horrorfilm enden, und umgekehrt. Quelle: Süddeutsche Zeitung
Von Hans Klumbies