Menschen denken in Sprachbildern

Die Sprache kann das Denken und Entscheiden eines Menschen beeinflussen. Mit Worten kann man Macht ausüben. Manchmal scheint es sogar so, als könnte man Menschen mit der Sprache beliebig manipulieren. Tatsächlich ist der Einfluss der Worte meist nur oberflächlich, denn vor allem wenn man die Effekte kennt, kann man sich schützen. Viele Forscher behaupten zum Beispiel, dass Menschen, ohne es zu merken, in Sprachbildern denken, oder gar, dass die Muttersprache unbewusst das gesamte eigene Weltbild festlegt. Menschen sind gerade in Momenten der Ablenkung und Erschöpfung anfällig für Manipulationen durch die Sprache. Philipp Hübl ergänzt: „Seit den Anfängen der Kultur täuschen Menschen andere durch Sprache, mit mehr oder minder arglistigen Absichten, sei es in der Politik, auf dem Marktplatz oder in der Partnerschaft.“ Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

Noam Chomsky begründet die moderne Linguistik

Ein entscheidender Punkt ist allerdings, dass Worte nicht zwingend das Handeln eines Menschen beeinflussen. Sie hindern ihn zwar manchmal daran, die beste Entscheidung zu treffen, aber eben nicht grundsätzlich. Man kann Verkaufstricks, unrealistische Wahlversprechen und falsche Komplimente durchschauen. Bei Sprache denken die meisten Menschen spontan an Wörter, weil sie mit ihnen am meisten vertraut sind. Um eine Sprache zu verstehen, muss man auch wissen wie man sie zusammensetzt, also die Grammatik kennen.

Bei der eigenen Muttersprache kennt man die Regeln, ohne sie ausdrücklich formulieren zu können. Philipp Hübl stellt fest: „Manche Forscher sagen daher, die Grammatik unserer Muttersprache sei bei jedem von uns unbewusst im Gedächtnis gespeichert.“ Der Amerikaner Noam Chomsky, der Begründer der modernen Linguistik, ist da präziser, wenn er von einer stillschweigenden Kenntnis spricht, denn die Sprachprozesse laufen nicht unbewusst, sondern nichtbewusst ab. Man kann zwar viel über die im Gedächtnis gespeicherte mentale Grammatik herausfinden, aber sie dadurch nicht erleben oder erspüren.

Allen Sprachen liegt derselbe Bauplan zugrunde

Das phänomenale Bewusstsein spielt dennoch eine Rolle, denn die meisten Menschen haben ein feines Gespür für grammatische Korrektheit. Die Sprachfähigkeit eines Menschen speist sich aus zwei Quellen: aus der mentalen Grammatik und den Wörtern, die man kennt. Beide sind im Langzeitgedächtnis gespeichert. Noam Chomsky und viele seiner Kollegen haben nachgewiesen, dass allen Sprachen derselbe Bauplan zugrunde liegt, die angeborene Universalgrammatik. Dafür spricht, dass jedes Kind schon im Grundschulalter die wesentlichen Strukturen seiner Muttersprache beherrscht, unabhängig von Intelligenz oder sozialen Hintergrund.

Das ist erstaunlich, weil Kinder ganz unterschiedliche Sätze hören, von denen viele falsch oder unvollständig sind. Außerdem werden Kinder nicht systematisch korrigiert. Wenn aber die Grundprinzipien der einzelnen Sprachen nicht erlernbar sind, müssen sie angeboren sein. Für diese These spricht außerdem, dass die Sprachfähigkeit universell ist, denn jeder gesunde Mensch lernt sprechen. Außerdem erwerben Kinder eine Sprache mühelos. Sie sind so gierig auf Wörter und Strukturen, dass man nicht mit ihnen üben muss. Quelle: „Der Untergrund des Denkens“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies