Der nationalkonservative Ökonom Werner Sombart, der den Begriff des Kapitalismus in Deutschland populär gemacht hat, lässt ihn mit dem Auftreten der ersten Unternehmer im 13. und 14. Jahrhundert beginnen. Karl Marx vermeidet das Wort, unterscheidet aber zwischen einfacher und kapitalistischer Warenproduktion. In der ersten verkauft ein Produzent, etwa ein Bäcker, seine Waren, um von einem anderen Hersteller, zum Beispiel einem Metzger, dessen Produkte zu erwerben. In der kapitalistischen Version dagegen handelt ein Geldbesitzer mit Waren, um noch mehr Geld anzuhäufen. Karl Marx schreibt im „Kapital“: „Die Bewegung des Kapitals ist also maßlos.“ Karl Marx verknüpft also den Kapitalismus mit dem Wirtschaftswachstum. Die Wurzeln dessen, was man heute als Kapitalismus bezeichnet, lassen sich auf drei Ereignisse zurückführen, die Europas Wirtschaft auf ihren spektakulären Sonderweg geführt haben.
Der Kapitalismus brachte Glück und existentielle Krisen
Erstens die Gründung des ersten Benediktinerklosters auf dem Monte Cassino bei Neapel um 530. Abt Benedikt von Nursa machte Schluss mit der Verachtung der Arbeit, und schuf einen Ethos derselben und der Arbeitsdisziplin. Zweitens die Erfindung der doppelten Buchführung 1494 durch den Genueser Mönch Luca Pacioli, die eine rationale Unternehmensführung möglich machte. Und drittens die Erfindung der mechanischen Uhr, die die Zeit der Herrschaft der Priester entzog und sie demokratisierte.
Dazu kam das Entstehen eines selbstbewussten Bürgertums in den Städten Oberitaliens, in den deutschen Freien Reichstädten, in den Niederlanden und später in England. Alle diese Elemente waren entscheidend für die Entwicklung des Kapitalismus. Alles andere kam später dazu: die ersten Aktiengesellschaften, die Erfindung der Dampfmaschine, die ersten Fabriken. Der Kapitalismus schuf ungeheuren Reichtum, aber auch riesige soziale Unterschiede. Er brachte Glück und existentielle Krisen, er produzierte Katastrophen, aber auch gleichzeitig die Mittel, um diese zu vermeiden.
Sein Überleben verdankt der Kapitalismus vor allem drei Männern
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in den USA und in Europa die moderne Arbeiterbewegung als Protest gegen die Zustände in den Fabriken des Frühkapitalismus. Nach Streiks und Demonstrationen in Chicago im Mai 1886 riefen Sozialisten den 1. Mai zum „Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse“ aus, was er für viele bis heute ist. Die schwerste Krise erlebte der Kapitalismus jedoch nach dem großen Börsenkrach von 1929. Er stürzte die großen Industrieländer, vor allem die USA und Deutschland, in Not und Massenarbeitslosigkeit.
Es schien damals wirklich so, als hätte der Kapitalismus ausgedient. Während die Verzweiflung im Westen wuchs, überraschte Stalins Sowjetunion mit immer neuen Wachstumsrekorden. Dass der Kapitalismus trotzdem überlebt hat, verdankt er im Wesentlichen drei Männern: John Maynard Keynes, der britische Ökonom entwickelte Methoden, mit denen der Staat Wirtschaftskrisen effektiv bekämpfen kann. George Marshall überzeugte als Außenminister die amerikanische Regierung, dem kriegszerstörten Europa großzügig zu helfen. Ludwig Ehrhard, Wirtschaftsminister und zweiter Bundeskanzler setzte nach 1948 gegen den heftigen Widerstand der Alliierten und der eigenen Bürger die Soziale Marktwirtschaft in der jungen Bundesrepublik durch. Quelle: Süddeutsche Zeitung
Von Hans Klumbies