Hans-Werner Sinn sieht Deutschland in der Target-Falle sitzen

Im Mittelpunkt des neuen Buches „Die Target-Falle“ von Hans-Werner Sinn steht das Thema der Target-Kredite, die im großen Stil von einigen nationalen Notenbanken des Eurosystems in Anspruch genommen wurden und in ihrer Höhe die offiziellen Rettungskredite in den Schatten stellen. Bislang verstehen laut Hans-Werner Sinn nur wenige Ökonomen, um was es hier geht. Nach der Lektüre seines Buches, so verspricht der Autor, wird die Zusammenhänge jeder verstehen. Das muss auch so sein, denn das Vermögen eines jeden einzelnen Bürgers steht bei den Target-Krediten auf dem Spiel. Hans-Werner Sinn beschränkt sich allerdings nicht nur auf das Target-Thema, sondern will das Krisengeschehen dem Leser an sich verständlich machen und Wege zu einem funktionierenden europäischen Wirtschaftssystem aufzeigen. Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

Die Target-Kredite haben inzwischen eine Höhe von 971 Milliarden Euro erreicht

Hans-Werner Sinn stellt klar, dass es für Deutschland keine Alternative zu einem vereinten Europa und zum Euro gibt. Er fordert allerdings, dass es erlaubt sein müsse, über den richtigen Weg einer Vertiefung der europäischen Integration zu diskutieren, ohne gleich zum Europafeind abgestempelt zu werden, bloß weil er den Kurs der europäischen Regierungschefs und der Europäischen Zentralbank mit kritischen Kommentaren begleitet. Bei Hans-Werner Sinn verdichtet sich gegen Ende des fünften Krisenjahrs der Eindruck, dass die Krise durch die finanziellen Rettungsmaßnahmen nicht zu lösen ist, ja in Wahrheit nur verschleppt wird.

Im neunten Kapitel seines Buches rechnet Hans-Werner Sinn vor, dass bis zum 3. August 2012 rund 1,55 Billionen Euro an Rettungskrediten inklusive der Mittel des Zentralbankensystems zur Verfügung gestellt worden sind. Davon sind 1,42 Billionen Euro bereits abgerufen. Mehr als zwei Drittel dieser Summe, etwa 971 Milliarden Euro, bestehen laut Hans-Werner Sinn aus Target-Krediten. Er erklärt: „Dabei handelt es sich um Geldschöpfungskredite, die, toleriert und unterstützt von der Europäischen Zentralbank, vom einen zum anderen Land verlagert werden, um Ersatz für die wegbrechenden oder als zu teuer empfundenen privaten Kredite zu bieten.“

Die Eurozone hat sich in eine System des Länderfinanzausgleichs verwandelt

Die Target-Kredite kann man auch als eine Form des Verleihs der Notenpresse bezeichnen. Deutschland musste bis Juli 2012 etwa 727 Milliarden Euro zu diesen Krediten beitragen. Dabei entstehen erhebliche Haftungsrisiken, die sich kaum von den Gefahren der offenen Kreditvergabe unterscheiden. Hans-Werner Sinn vertritt die These, dass mit den Rettungspaketen eine riesige Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt worden ist, die die Eurozone zu einem System des Länderfinanzausgleichs verändert und Deutschland teuer zu stehen kommen wird.

Für Hans-Werner Sinn besteht überhaupt kein Zweifel, dass Deutschland heute in der Target-Falle steckt. Das Target-System ist deswegen eine Falle, weil die Bundesbank nicht die Möglichkeit hat, ihre Target-Forderungen einzutreiben. Hans-Werner Sinn erklärt: „Die Forderungen entstanden, weil Güter oder Anlagewerte in andere Länder geflossen sind und von der Bundesbank im Auftrag ausländischer Käufer bezahlt wurden oder weil die Bundesbank im Auftrag ausländischer Schuldner Schulden bei deutschen Gläubigern getilgt hat.“ Getilgt werden die Target-Kredite nur dann, wenn Deutsche wieder neue Kredite ins Euro-Ausland vergeben oder Anlageobjekte oder Güter dort kaufen.

Die Target-Falle
Gefahren für unser Geld und unsere Kinder
Hans-Werner Sinn
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 417 Seiten, Auflage: 2012
ISBN: 978-3-446-43353-3,  19,90 Euro
Von Hans Klumbies

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