Für Jane Goodall sind Menschenaffen Persönlichkeiten

Die weltberühmte britische Verhaltensforscherin Jane Goodall erinnert sich noch gut an ihre erste Begegnung mit Schimpansen, deren Leben sie seit mehr als einem halben Jahrhundert erforscht. Sie erzählt: „Das war frustrierend: Sie rannten weg, wenn ich mich näherte. Sie hatten ja noch nie einen weißen Affen gesehen.“ Die Fotos von Jane Goodall, die sie zusammen mit Schimpansen zeigte, gingen damals um die Welt. Der Grund dafür war, dass den Menschenaffen noch niemand zuvor so nahe gekommen war wie Jane Goodall. Die Wissenschaftlerin gesteht, dass es zunächst wirklich schwierig war, ihr Vertrauen zu gewinnen. Die Schimpansen hatten vor ihr Angst und waren deshalb ziemlich angriffslustig.

 Schimpansen zeigen menschliche Regungen wie Angst und Freude

Ein Schimpanse ist laut Jane Goodall rund achtmal stärker als sie selbst und hätte sie jederzeit schwer verletzten, wenn nicht sogar töten können. Einen von den Schimpansen nannte die Forscherin David Greybeard. Dieser kam eines Tages in ihr Camp, um Nüsse zu stehlen. Dieser Vorgang wiederholte sich. Nach etwa drei Wochen hielt ihm Jane Goodall eine Banane hin. Sie erzählt, was dann geschah: „Er zögerte sehr lange. Schließlich griff er zu. Von da an rannten die anderen Schimpansen nicht mehr weg, wenn er in meiner Nähe war, als dächten sie: Nun, so furchtbar kann sie nicht sein.“

Kritiker warfen Jane Goodall vor, dass sie ihre Studienobjekte vermenschlichen würde, da sie den Schimpansen Namen anstelle von Nummern gab und ihnen menschlichen Regungen wie Angst und Freude zuschrieb. Diesen Vorwurf weist Jane Goodall strikt zurück und erklärt: „Schimpansen sind uns so ähnlich, wir haben fast die gleiche DNA, unsere Gehirne sind beinahe identisch, ebenso unser Blut, unser Immunsystem – warum sollten sie dann nicht wie wir eine Persönlichkeit haben?“ Für Jane Goodall steht es außer Frage, dass Schimpansen Glück und Traurigkeit empfinden.

Heute kümmert sich Jane Goodall um ihre Jugendorganisation Roots & Shoots

Heute geht Jane Goodall nicht mehr in den Wald, um Affenfamilien zu erforschen. Das machen heute die Mitarbeiter ihres Instituts. Die meisten Tiere kennt sie gar nicht mehr, nur deren Eltern und Großeltern. Zurzeit kümmert sie sich vorwiegend um ihre Jugendorganisation Roots & Shoots, in der sich Schüler aus 129 Ländern für Tiere, Umweltschutz und Menschen in Not engagieren. Die Idee für eine solche Organisation hatte Jane Goodall schon vor zwanzig Jahren.

Jane Goodall findet es schon deprimierend, dass trotz aller Tierschutzbemühungen, einschließlich ihrer eigenen, die Populationen der Wildtiere ständig zurückgehen. Obwohl zum Beispiel ein Viertel der Fläche von Tansania praktisch unter Naturschutz steht, sterben viele Tierarten aus. Jane Goodall klagt an: „Als ich nach Afrika kam, lebten dort ein bis zwei Millionen Schimpansen. Heute sind es noch maximal 300.000. Solche Zahlen beweisen, dass wir noch viel mehr tun müssen.“

Von Hans Klumbies