Ernst-Dieter Lanterman analysiert den Typ des Fremdenhassers

Mit seinem Hass auf Fremde kompensiert der Fanatiker Defizite, die ihn in der Vergangenheit bedrückten und an seinem Selbstwertgefühl nagten. Ernst-Dieter Lantermann erläutert: „Sein Fanatismus stillt sein lange unerfülltes Bedürfnis nach Klarheit, Einfachheit und festen Wahrheiten. Er gewährt ihm ein Sicherheits- und Verankerungssystem, das ihn gegen alle Zweifel und Unsicherheiten abschottet.“ Sein Fanatismus verschafft ihm eine unerschütterliche Identität, da er sich in seinen Gleichgesinnten wiedererkennt, sich mit ihnen zutiefst verbunden, von ihnen anerkannt und wertgeschätzt erlebt und gleichzeitig in den Ausländern das abstoßende Zerrbild eines anständigen Menschen sieht. Sein Hass gibt seinem Leben endlich wieder eine Bedeutung, einen tiefen Sinn und eine klare, selbstgewisse Orientierung des eigenen Weges. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

Der Fremdenhasser kämpft für eine Volksgemeinschaft von Deutschen unter Deutschen

Und diese innere Reinigung und moralische Selbstgewissheit setzten ungeahnte Energien frei, die der Fremdenhasser ohne jede innere Hemmung ganz in den Dienst seiner Überzeugung, seines Zieles stellen kann – das Land von allen Fremden zu reinigen und für eine Volksgemeinschaft von Deutschen unter Deutschen zu kämpfen. Da er sich mit diesem überwertigen Ziel völlig identifiziert, sieht er in jeder seiner fremdenfeindlichen Hasstaten nicht nur einen Schritt hin zur Verwirklichung seiner fanatischen Idee, sondern zugleich einen Beweis seines gewachsenen Selbstwertgefühls.

Ernst-Dieter Lantermann ergänzt: „Da sein Fremdenhass nicht nur gegen alle Ausländer, Asylanten, Flüchtlinge und Migranten, sondern zugleich gegen alle Menschen und Institutionen gerichtet ist, die für die Fremdenflut verantwortlich sind, gewinnt der Fremdenhasser noch zusätzlich an Selbstsicherheit und Selbstwertschätzung zurück.“ Weiß er doch endlich, von wem er in der Vergangenheit so schlecht behandelt, ausgegrenzt und in seinen berechtigten Ansprüchen nicht ernst genommen wurde.

Fremdenhasser sehnen sich nach einem körperlichen Kick

Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Es sind dieselben, die er heute verachtet und bekämpft, da sich diese Handlanger in Politik und Gesellschaft niemals für die Sorgen und Nöte der Einheimischen interessiert haben und Deutschlands Zukunft kampflos den Muslimen überlassen wollen.“ Ein weiterer selbstwertdienlicher Gewinn kommt bei den fanatischen Fremdenhassern hinzu: In den Momenten, in denen sie ihren Hass auch körperlich spüren, erfasst sie ein Vitalitätsrausch, eine vitale Raserei, die ihnen signalisiert, das ihr Leben aufregend, spannend, voller Gefahren und Verheißungen ist.

Erfahrungen der Vitalität sind die Grundlage und Vorbedingung dafür, das eigene Leben als lebenswert zu empfinden und sich für eine bestimmte Sache engagieren zu können. Einen Verlust an Vitalitätserfahrung erleben Menschen als ein „Als-ob-Leben“, als ein Leben am Leben vorbei, das die Selbstwertschätzung fundamental angreift. Es sind diese körperlichen Sensationen, es ist dieser körperliche Kick, den die Fremdenhasser ersehnen und der sie zu immer gewalttätigeren Taten antreibt. In der hasserfüllten Tat wächst ihr Selbstwertgefühl ins Unermessliche. Quelle: „Die radikalisierte Gesellschaft“ von Ernst-Dieter Lantermann

Von Hans Klumbies